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Bobby Fischer so genial wie Karl May

Verleger Lothar Schmid berühmtester Schach-Schiedsrichter / 100. Todestag des Abenteuer-Schriftstellers

von FM Hartmut Metz, 25. März 2012

 

Lothar Schmid hätte mit der Passion "Karl May" schon genügend Lebenszeit füllen können. Doch der 1928 in Radebeul geborene Jurist widmete sich nicht nur ab 1951 seinem Karl-May-Verlag in Bamberg, sondern brachte es auch im Schach zu Ehren. 278 Einsätze stehen für den Großmeister in der Nationalmannschaft zu Buche. Zudem wurde Schmid Vizeweltmeister im Fernschach. Am berühmtesten machten ihn jedoch seine Einsätze als Schiedsrichter. Dank seiner Freundschaft zu Bobby Fischer wurde der legendäre "Kampf des Jahrhunderts" 1972 nicht abgebrochen, und der Amerikaner entthronte in Reykjavik den sowjetischen Weltmeister Boris Spasski. Hartmut Metz interviewte Lothar Schmid und dessen Sohn Bernhard, der inzwischen die Geschicke des Karl-May-Verlages leitet, anlässlich des 100. Todestages des Autors am 30. März.

Metz: Herr Schmid, ist Karl May noch aktuell?
Lothar Schmid: Ja. Er ist der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache mit 100 Millionen Bänden. Karl May wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Dort sind schätzungsweise weitere 100 Millionen Bücher erschienen. Besonders stark vertreten war und ist Karl May zum Beispiel in den Niederlanden und in Osteuropa.

Metz: Folgen noch weitere Sprachen? Oder sind mit den aktuell 42 alle wichtigen abgedeckt?
Bernhard Schmid: Albanisch, Chinesisch und sogar Kurdisch kamen in den letzten Jahren dazu. Weiße Flecke für Karl May sind vorläufig noch Indien und Korea.

Metz: Welche Bücher lesen Sie selbst? Oder immer nur Karl May?
Lothar Schmid: Karl May ist meine Lieblingslektüre, daneben sind es freilich auch Schachbücher als meine seit Jahrzehnten wahrgenommene Freizeitgestaltung.

Metz: Wird man noch in 100 Jahren Karl May lesen und lieben oder gibt es ein Verfallsdatum?
Bernhard Schmid: Karl May ist meines Erachtens zeitlos, weil in seinen Romanen die wichtigen Themen Völkerverständigung, Frieden und Freundschaft immer im Vordergrund stehen.

Metz: Sie haben das "Match des Jahrhunderts" im Schach 1972 zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski als Schiedsrichter geleitet. Wen halten Sie für genialer: Bobby Fischer oder Karl May?
Lothar Schmid: Als Chefschiedsrichter des Weltschachbundes habe ich zahllose Wettkämpfe geleitet und viele Genies kennen gelernt. Bobby Fischer, damals der Erfolgreichste von allen, war in seiner Eigenart ähnlich genial wie Karl May: Er war und blieb der Beste von allen.

Metz: Sehen Sie Parallelen zwischen den beiden?
Lothar Schmid: Beide waren in ihrer Art Künstler und reich an Fantasie.

Metz: Wer ist Ihre Lieblingsfigur aus dem Kosmos von Karl May und warum?
Lothar Schmid: Winnetou ist ein Edelmensch; im Schach wäre er vermutlich Weltmeister geworden.

Metz: Sie haben eine der wertvollsten Schachbuch-Sammlungen der Welt. Wenn Sie diese oder alle Karl-May-Bände hergeben müssten: Welche würden Sie aufgeben?
Schmid: Keine!

Seine Karriere als Weltklassespieler beendete Lothar Schmid mit 54 Jahren. An seine spektakulärsten Partien erinnert er sich jedoch immer noch. Auf die Frage, ob er eine ganz besondere hat, in der die Springer die Hauptrolle spielen, fällt dem 83-Jährigen ein Sieg bei der deutschen Meisterschaft 1949 in Bad Pyrmont ein. Dabei schlug Schmid den früheren Vizeweltmeister Jefim Bogoljubow. Ein schwarzer Rappe galoppierte über das ganze Brett und vernichtete fast im Alleingang die feindliche Übermacht. Bei dem Springer dachte der Großmeister nicht an die berühmten Karl-May-Pferde Rih, Iltschi oder Hatatitla, auch wenn "es durchaus gepasst hätte". Dafür verweist der Verleger gleich auf Band 49 der Gesammelten Werke, "Lichte Höhen". In Karl Mays einzigem Drama "Babel und Bibel" reiten "Beduinen ein Schachspiel". Hier Schmids Husarenritt gegen Bogoljubow.











Bogoljubow,E - Schmid,L [C47]
13th Bad Pyrmont, 09.05.1949

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Sxe4 6.Sxc6 Sxc3 7.Sxd8 Sxd1 8.Sxf7 Sxf2 9.Sxh8 Sxh1 Damit endet kurzfristig der Parforceritt des Schimmels und des Rappen! In den ersten 18 Zügen kamen sie weltrekordverdächtige 14 Mal zum Einsatz! 10.Ld3?! [ 10.Le3 verspricht Weiß eher, den kecken Springer auf h1 zu fangen.] 10...Lc5 11.Lxh7 Sf2 Ein Zwischengalopp nach kurzer Pause. 12.Lf4 d6 13.Lg6+ Kf8 14.Lg3 Sg4 Und nun geht's fast im alten Tempo weiter mit den Springern! 15.Sf7? Eine erste Ungenauigkeit. [ 15.Kd2 Le6 16.Lh5 Sf6 17.Sg6+ führt zum Ausgleich.] 15...Se3 16.Kd2 Lf5=/+ 17.Sg5? [ Das paradoxe 17.Sh8! sollte zum Remis reichen. 17...Ld7 18.Ld3 ( oder 18.b4 Lb6 19.Ld3 g5 Damit wird der Springer gefangen. 20.a4 a5 21.Lf2 Te8 22.Te1 Sg4 23.Lxb6 Txe1 24.Kxe1 cxb6 25.Sg6+ Kf7 26.h4 Lxa4 27.hxg5 Se3 28.Kd2 Sxc2 29.bxa5 bxa5 30.Sf4 Sb4 31.g6+ Kg7 32.Le4 Lc6 33.Sh5+ Kf8 34.g7+ Kg8 35.Lxc6 Sxc6 36.Sf6+ Kxg7 37.Se8+ Kg6 38.Sxd6 b6 39.Kc3 Kg5 40.Kc4 Sa7 41.Kb3 b5 42.Sxb5 Sxb5 43.Ka4 mit Remis.) 18...g5 19.Lf2 Te8 20.Te1 Sxg2 21.Tf1 Ke7 22.Lxc5 dxc5 23.Tf7+ Kd6 24.Tf6+ Kd5 25.Sf7 g4=/+ ] 17...Lxg6 18.Se6+ Ke7 19.Sxc5 Bogoljubow hatte sich wohl darauf verlassen, dass Schmid nun auf c5 nimmt und danach der Rappe auf e3 fällt, doch der führt unglaubliches Werk fort! 19...Sxc2! 20.Lh4+ Ke8 21.Se6 Kd7 22.Sf4 Sxa1 Solch einen Springer gab es vermutlich nie in einer Partie zwischen zwei Topspielern! Er räumte unversehrt die Dame auf d1 und die Türme auf h1 und a1 ab! 23.Sxg6 Te8 24.Lf2? Sc2! Und auch diesen Raubzug überlebt - nennen wir ihn ruhig so in Anlehnung an Old Shatterhands Wunderpferd - der heroische Hatatitla! 25.Sf4 [ 25.Kxc2 Te2+ 26.Kc3 Txf2 ist hoffnungslos.] 25...Sb4 Mit dem 29. Springerzug der Partie entkommt der Rappe auch diesmal in die freie Schachbrett-Prärie. Bogoljubow begrub deshalb das Kriegsbeil und gab ungeachtet seines ebenfalls agilen Schimmels auf. 0-1



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