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Wer zu spät kommt, den bestraft ...

Regularien erhitzen bei Schach-Europameisterschaft die Gemüter

von FM Hartmut Metz, 12. Mai 2012

 

Ich spielte einfach ein Turnier, ohne mir konkrete sportliche Ziele zu stecken - und plötzlich war ich Europameister!" Reichlich unspektakulär beschreibt Dimitri Jakowenko seinen Sieg bei der EM in Plowdiw. Der russische Nationalspieler schlug in der elften Runde den bis dahin führenden Laurent Fressinet und kam als einziger der 345 Teilnehmer (darunter 176 Großmeister) auf 8,5 Punkte. Den Pulk mit einem halben Zähler weniger führte der unterlegene Franzose an und gewann Silber vor vier weiteren Russen, Wladimir Malachow, Dimitri Andreikin, Ernesto Inarkiew und Maxim Matlakow.

Bester Deutscher war der Bochumer Daniel Fridman mit 7,5 Punkten. Der Mülheimer Bundesligaspieler verpasste als 27. hauchdünn die Qualifikation für den Weltcup. Als Nachrücker könnte der deutsche Einzel-Meister aber wie beim letzten Mal doch noch teilnehmen, wenn sich vier der 23 Großmeister direkt über die Weltrangliste dafür qualifizieren. Der Wiesbadener Igor Khenkin belegte punktgleich Rang 34. Der Baden-Badener Bundesliga-Topscorer Arkadij Naiditsch lag zwischenzeitlich sogar in Front, brach dann aber etwas ein. Die deutsche Nummer eins musste sich am Schluss mit sieben Punkten zufriedengeben.

Die strikten Regeln in Bulgarien stießen bei vielen Profis auf wenig Gegenliebe. Mit der Kleiderordnung, die anders als bei den Frauen keine Rocklänge vorgab oder bestimmte, wie viele Blusenknöpfe geöffnet sein sollen, hatten die Herren kaum Probleme. Wer dagegen am Brett zu spät kam, den bestrafte der Schiedsrichter: Mitfavorit Schachrijar Mamedjarow verlor als prominentestes Opfer erst kampflos, weil er ein paar Sekunden zu spät erschien. Der Aseri bekam außerdem nach einem 19-zügigen Remis auch Runde neun genullt, woraufhin die Nummer zwei der Setzliste abreiste. Die Vorgabe, dass vor dem 40. Zug kein Friedensschluss vereinbart werden darf, führten der Franzose Sébastien Maze und Ilja Smirin (Israel) ad absurdum: Sie trieben es schlimmer als jeder Fernsehsender - und wiederholten 13 Mal das "Programm" durch hin- und herziehen, bevor Zug 40 erreicht war! Danach durften die beiden sonstigen Kämpfernaturen ins Remis einwilligen ...

Eine der spektakulärsten Partien gewann Francisco Vallejo Pons. Der Spanier in Diensten der OSG Baden-Baden jagte den König von Tamir Nabaty quer übers Brett nach a1, wo der Monarch sein Ende fand. Vallejo Pons qualifizierte sich mit acht Punkten als Achter wie sein Vereinskamerad Etienne Bacrot (17. mit 7,5 Punkten) für den Weltcup.











Vallejo Pons,F (2693) - Nabaty,T (2559) [D20]
Einzel-Europameisterschaft Plowdiw, 23.03.2012

1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e3 e5 4.Lxc4 exd4 5.exd4 Ld6 6.Sf3 Sf6 7.De2+ De7?! [ 7...Le7! ist der bessere Zug - aber dann stellt sich die Frage, warum der Läufer erst nach d6 ging.] 8.Dxe7+ Kxe7 [ 8...Lxe7!? ist wieder ein ähnlicher Tempoverlust.] 9.0-0 Le6 10.Te1 Kd7 [ 10...c6 verhindert zwar den Bauernvorstoß nach d5 mit Verlust des gefesselten Läufers auf e6, aber nach 11.Sg5 Sd5 12.Sc3 Kd7 13.Ld2 h6 14.Sxe6 fxe6 15.Se4 Sa6 16.Tac1 Sac7 17.Sc5+ Lxc5 18.dxc5+/- steht Weiß auch merklich besser, gleichwohl sich Schwarz noch in der Remisbreite befindet.] 11.Se5+ Lxe5 12.dxe5 Lxc4 13.exf6 gxf6+/= Andere Züge sind auch nicht besser. Die Gefahren trotz der getauschten Damen illustrieren die folgenden Varianten: [ 13...Tg8 14.Sc3 Le6 15.Se4 Sa6 16.Lf4 Tad8 17.Tac1! Kc8 ( 17...Lxa2 18.fxg7 Txg7 19.Lg5! und der Turm hat kein vernünftiges Feld mehr! 19...Ta8 ( 19...Tdg8 20.Sf6+ ; 19...Th8 20.Lf6 ) 20.Sf6+ Kd6 21.Lf4# ) 18.b4! c6 19.b5 Sb4 20.Sd6+ Txd6 21.Lxd6 Sxa2 22.Tc2 und Schwarz kann aufgeben.] 14.Sc3N Die Neuerung. Im Vorjahr geschah [ 14.b3!? in der Großmeister-Partie Cvitan-Stevic, Stari Mikanovci 2011.] 14...c5?! [ 14...Le6 verteidigt sich besser.] 15.Lf4 Sc6 16.Ted1+! [ 16.Tad1+?! erweist sich als Bumerang. 16...Sd4 17.Le3?! The8 18.Lxd4? ( 18.Td2 Kc6 19.b3 La6 20.Ted1 Tad8 21.h3= ) 18...Txe1+ 19.Txe1 cxd4 20.Td1 d3 21.b3 La6 Weiß kämpft plötzlich ums Überleben.] 16...Ke6? [ Vorzuziehen ist 16...Sd4 17.Le3 Ke7 18.Lxd4 cxd4 19.Txd4 Le6 20.Tad1 Thd8 21.a3 Txd4 22.Txd4 Td8 23.Txd8 Kxd8 24.Kf1 Danach muss Weiß zeigen, wie er das bessere Endspiel gewinnen will.] 17.b3+/- La6? Das kostet die Partie. [ 17...Kf5! nimmt den König aus der Schusslinie. 18.bxc4 ( 18.Le3 Le6 19.Lxc5 Thd8 beschert Weiß auch nur ein kleines Plus. Vor allem die ungleichfarbigen Läufer sollten ein Trumpf beim Streben nach einem Remis sein.) 18...Kxf4 19.Td5! behält das Ziel im Visier. ( 19.Td7? verliert den schwarzen Monarchen aus den Augen. 19...b6 20.Td6 Sa5 21.Txf6+ Ke5 22.Tf3! Sxc4 23.Te1+ Kd6 24.Tf6+ Kd7 25.Txf7+ Kc6 26.Tee7 a6 27.Tf6+ Sd6 28.Se4 Tad8 29.Tee6 The8! 30.Txd6+ Txd6 31.Txd6+ Kc7 verteidigt sich hartnäckig. 32.f3 Txe4 33.Txb6 Ta4 ( 33...Te2 34.Txa6 c4 35.Ta4 Tc2 36.f4 Kd6 37.f5 Ke5 38.Ta5+ Kf6 39.Tc5 Txa2 40.Txc4 Kxf5= ) 34.Tb2 Kd6 35.Kf2 Kd5= ) 19...f5 20.Tb1! Sa5 ( 20...b6? 21.Se2+ Kg5 22.f4+ Kh5 ( 22...Kg6 23.Td6+ Kg7 24.Txc6 ) 23.Sg3+ Kg4 24.Txf5 Sd4 25.Txf7 Tae8 26.Tf1 Se2+ 27.Sxe2 Txe2 28.f5 Kg5 29.f6 und Weiß gewinnt.) 21.Txc5 b6 22.Sd5+ Kg5 23.Tc7 Thd8 24.f4+ Kg6 25.Te1 Kg7 26.Tee7 Tf8 Die Stellung verspricht Weiß den vollen Punkt.] 18.Td6+ Kf5 19.Sd5+- Sd4 [ 19...Kg6 erlaubt das schönste Mattbild: 20.Txf6+ Kg7 21.Lh6+ Kg8 22.Txc6! bxc6 23.Sf6# ] 20.Txf6+ Ke4 21.f3+! Kd3 [ 21...Kxd5 22.Td6# ] 22.Td1+ Kc2 23.Td2+ Kb1 24.Sc3+ Ka1 [ 24...Kc1 25.Te2# ] 25.a4! [ 25.a4! Das Matt auf a2 kann Nabaty nur noch mit 25...Se2+ 26.Sxe2 Lxe2 27.Txe2 abwenden, was aber auch hoffnungslos bleibt.] 1-0



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