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Kauf dir die Weltmeister Anand und Kramnik!

Programm-Übersicht zu den Chess Classic Mainz

von Hartmut Metz, Mai 2001

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Mainz Chess Classic: Viswanathan Anand
         
Mainz Chess Classic: Wladimir Kramnik

Viswanathan Anand

Wladimir Kramnik

 

   Das Duell der Weltmeister steht im Mittelpunkt der Chess Classic Mainz (CCM) vom 23. Juni bis 1. Juli. Neben den zehn Partien zwischen Braingames-Weltmeister Wladimir Kramnik und FIDE-Weltmeister Viswanathan Anand bietet auch das restliche Programm in der Rheingoldhalle spektakuläres Schach. Vor allem der Wettkampf im Fischer Random Chess ist ein Novum auf höchstem Niveau. Der Weltranglistenvierte Michael Adams und der auf Platz sieben notierte Peter Leko liefern sich ein ungewöhnliches Duell, bei dem Theoriekenntnisse nicht gefragt sind. Achtmal werden die Grundstellungen der Figuren ausgelost, danach geht es ohne Denkschablonen los. Der Vergleich zwischen dem Engländer und dem Ungarn, der vom 26. bis 29. Juni (Spielbeginn der ersten der je zwei Partien: 15 Uhr) das Vorprogramm zu den Weltmeistern bildet, ist mehr als reizvoll. Auf der einen Seite gilt Adams nicht als der große Theorieexperte, der wie ein Garri Kasparow eine Eröffnungsneuerung nach der anderen entkorkt. Kommt daher dem Großmeister mit einer ELO-Zahl von 2750 die Favoritenrolle zu?

   Schließlich gelingt Leko keine Überraschung im Eröffnungsstadium, denn seine größere Innovationsfreude beim Ausknobeln neuer Züge für normale Turnierpartien verpufft. Dafür besitzt der 21-Jährige einen enormen Vorteil dank seines Sekundanten: Der Solinger Bundesligaspieler Artur Jussupow wagte bereits im Vorjahr bei den Chess Classic ein Experiment. Gegen das Programm Fritz on Primergy spielte der mehrfache WM-Kandidat zwei Partien im Shuffle Chess. Dies hat etwas weniger strikte Regeln als Fischer Random Chess, unterscheidet sich aber außer bei den Vorgaben für die Auslosung der Grundpositionen davon nicht. Trotz seiner 0:2-Niederlage genoss Jussupow das Match und stellte erstaunt fest: „Die Partie geht bereits nach fünf, sechs Zügen los", vermisst der 41-Jährige keineswegs ellenlange Theorievarianten. „Für manche Spieler ist diese Art Schach vielleicht eine Erleichterung, wenn sie Schablonen hassen. Sie können dabei im Meer ihrer Fantasien schwimmen". Nicht nur wegen Jussupow gibt es keinen Zweifel an Lekos größerer Erfahrung im Fischer Random Chess. Der Weltranglistensiebte aus Szeged hat in seinem Heimatland nicht nur den Erfinder dieser Spielart kennen gelernt, Leko spielte auch manche Random-Partie mit Bobby Fischer! Der geniale Weltmeister von 1972 verweigert sich normalem Turnierschach, gewährte aber dem jüngsten Großmeister in der Weltspitze einige Lektionen. Prognosen fallen daher schwer, ob sich der geübtere Leko im Fischer Random Chess durchsetzt oder Adams, dem ungewöhnliche Stellungen besser zu liegen scheinen.

   Eindeutiger verteilt ist die Favoritenrolle bei den Spielen der beiden Koryphäen gegen einen Taschencomputer. „Pocket Fritz" wird ihnen am 30. Juni ab 13 Uhr sicher nicht in den jeweils zwei Partien so einheizen wie sein großer Bruder Fritz on Primergy im Vorjahr, als er der Weltelite ein 5:5 abtrotzte. Damals schlug die Software der Hamburger Firma Chessbase erstmals den Inder Anand - unterlag jedoch gegen Leko mit 0,5:1,5. Weniger Erfahrung mit Computern bringt Adams mit, er sollte aber ebenfalls dem Programm auf dem leistungsschwächeren Handheld Paroli bieten.

   Herzstück der Chess Classic ist seit der ersten Organisation durch den SC Frankfurt-West 1994 das Ordix Open. In allen Kategorien gilt es als die weltweite Nummer eins unter den offenen Schnellschach-Turnieren: Bis zu 432 Teilnehmer in den Vorjahren, rund 100 Titelträger und ein beachtlicher Preisfonds für die zweitägige Veranstaltung (23./24. Juni). Die Geldpreise klettern in Mainz nochmals auf jetzt 45.000 Mark. Die Steigerung floss dabei voll in den hoch dotierten ersten Rang, der um 33 Prozent anwuchs. 10.000 Mark sollen noch mehr Weltklassespieler anlocken. Die Teilnehmerlisten zierten dabei solch klangvolle Namen wie Adams, der Weltranglistensechste Wassili Iwantschuk (Ukraine), Jewgeni Barejew, Peter Swidler, Alexej Drejew, Vorjahressieger Sergej Rublewski (alle Russland), Jussupow und Michail Gurewitsch (Belgien). Damit jedoch nicht nur die Topspieler auf ihre Kosten kommen, fließen außer den Geldpreisen für die ersten 20 an die Amateure 41 Sonderpreise. Der beste Spieler mit einer ELO oder DWZ von 2201 bis 2400 gewinnt 1.500 Mark (ein Plus von 50 Prozent), der erfolgreichste von 2001 bis 2200 erhält 1.000 Mark. Das Ordix Open beginnt am Samstag, an dem fünf Runden ausgetragen werden, um 13 Uhr. Sonntags finden die Runden sechs bis elf von 10 bis 17 Uhr statt.

   Spannung im Vorfeld verspricht die erneute Versteigerung von Simultanplätzen gegen die Weltmeister. Die Bieter überschlugen sich im Vorjahr bei ihren Offerten, um mit Garri Kasparow die Klingen kreuzen zu dürfen. Bis zu vierstellige Beträge boten Fans, damit sie gegen den Ex-Weltmeister zum Zug kommen. „Es hat sich gelohnt", lautete das einhellige Fazit auch derer, die dem Ausnahmekönner unterlagen. Zwischen 50 und 150 Mark erlösten die Plätze, die der SC Frankfurt-West für das Simultan mit dem Weltranglistensiebten Iwantschuk offerierte. Wer gegen Anand (23. Juni, 18.30 Uhr) oder Kramnik (24. Juni, 18.30 Uhr) spielen möchte, muss mindestens 100 Mark investieren. Die Gebote können entweder im Internet auf der Seite www.chesstigers.de abgegeben werden oder bei Turnierpräsident Hans-Walter Schmitt (Telefon wie Fax: 06196/22726). Die ersten der jeweils 20 Plätze werden Woche für Woche an das Höchstgebot vergeben. Der Hammer für die Versteigerung fällt am 31. Mai um Mitternacht. Der Reiz des Simultans besteht nicht nur in dem Denkduell mit den Champions. Unter den 40 Kontrahenten von Anand und Kramnik soll sich auch einige Prominenz befinden. Zahlreiche Stars, die gerne Schach spielen, werden zu den Simultans eingeladen. Mit ein bisschen Glück werden die Teilnehmer dann nicht nur vom Weltmeister, sondern auch links und rechts von Sportlern wie Felix Magath und Marco Bode in die Zange genommen.


Die Weltmeister

 

Mainz Chess Classic: Wladimir Kramnik

Wladimir Kramnik
Russland, geb. 25. Juni 1975
Elo 2797, Nr. 2 der Weltrangliste

   Wladimir Kramnik ist schier unbezwingbar. Im Vorjahr blieb der 25-Jährige in 82 Turnierpartien ungeschlagen, ehe der Engländer Michael Adams die phänomenale Serie beendete. Kramnik tröstete sich im Juli 2000 damit, dass er beim anschließenden Match gegen Garri Kasparow sowieso die ein oder andere Partie aufgeben müsse. Doch bei der Weltmeisterschaft in London, die die Firma Braingames mit dem vom Weltverband FIDE abgespaltenen Kasparow austrug, vollbrachte Kramnik eine noch größere Leistung als in den 82 Begegnungen: Der Moskauer schlug den vielleicht besten Schachspieler aller Zeiten nicht nur mit 8,5:6,5. Er trieb seinen russischen Landsmann zur Verzweiflung, konnte doch Kasparow das „Betonschach" seines einstigen Sekundanten kein einziges Mal durchdringen. Ohne Niederlage, mit zwei Siegen und 13 Remis stieß Kramnik den 15 Jahre lang herrschenden Weltmeister vom Thron. Im Vorjahr belegte Kramnik im Giants-Turnier, an dem die sechs weltbesten Großmeister teilnahmen, Rang drei mit 5:5 Punkten hinter Viswanathan Anand (7,5:2,5) und Kasparow (6:4). Einen dramatischen Zweikampf bei den Chess Classic hatte sich der Weltmeister vom Schwarzmeer - in Tuapse erblickte Wladimir das Licht der Welt - bereits 1998 mit Anand geliefert. Im Finale unterlag Kramnik seinem diesjährigen Widersacher trotz mehrfachen Vorteils in der Verlängerung mit 3:4. Genau umgekehrt steht der Score im Vergleich der Turnierpartien, in denen der Braingames-Weltmeister mit 4:3 (bei 25 Unentschieden) führt. Die erste Begegnung trugen die beiden Champions 1989 in Moskau aus, als der 13-jährige Kramnik auf den 19-jährigen Inder traf. In der Gesamtbilanz liegt Anand in Front (siehe sein Porträt).

 

Mainz Chess Classic: Viswanathan Anand

Viswanathan Anand
Indien, geb. 11. Dezember 1969
Elo 2794, Nr. 3 der Weltrangliste

   Viswanathan Anand gilt dank seiner Erfolge bei den Chess Classic als bester Schnellschach-Spieler der Welt. 1997, 1998 und 2000 gewann der „schnelle Brüter" aus Indien den bedeutendsten Wettbewerb mit kürzerer Bedenkzeit. Im Vorjahr deklassierte der „Tiger von Madras" die versammelte Weltelite und verwies Kasparow, Kramnik&Co. im Giants um 1,5 und mehr Punkte auf die Plätze. Der grandiose Turniersieg wirkte nach einer Formkrise wie ein Befreiungsschlag auf den 31-Jährigen. Fortan eilte er bei den Wettbewerben des Weltverbandes FIDE von einem Erfolg zum anderen: Mit dem Gewinn der Blitz-WM, des Weltcups und der FIDE-Weltmeisterschaft machte Anand den „Grand Slam" perfekt. Im Endspiel des K.o.-Wettbewerbs in Teheran setzte sich der neue Weltmeister souverän durch und bezwang Alexej Schirow (Spanien) vorzeitig mit 3,5:0,5 in dem auf sechs Partien angesetzten Match. Der indische Nationalheld ist der erste asiatische Weltmeister und seit dem zweiten Weltkrieg nach Bobby Fischer (1972) der erst zweite Champion, der nicht aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland kommt. Aus Indien stammt die Urform des königlichen Spiels, Tschaturanga. An der Geburtsstätte des königlichen Spiels löste Anand eine Welle der Begeisterung aus und führte Schach unter die drei beliebtesten Sportarten des Milliarden-Volkes. Als Stammgast bei den Chess Classic ist der Weltmeister mitverantwortlich für das Programm der „Chess Tigers". Der Verein will Talente aus dem Rhein-Main-Gebiet auf Weltniveau befördern, um einen ähnlichen Boom wie auf dem Subkontinent zu entfachen. In den Partien mit kürzerer Bedenkzeit (Schnell-, Blind- und Blitzschach) verzeichnet der FIDE-Weltmeister gegenüber seinem Rivalen ein Plus von 8:5 Siegen (bei 26 Remis). Alle allen Sparten zusammengefasst führt Anand mit insgesamt 36,5:34,5 Punkten.

 

Fischer Random Chess

Mainz Chess Classic: Michael Adams

Michael Adams
England, geb. 17. November 1971
Elo 2750, Nr. 4 der Weltrangliste

   Michael Adams hat im Vorjahr bei den Chess Classic das Masters gewonnen und hievte sich damit auf Platz eins der Schnellschach-Weltrangliste! So enttäuschend das Debüt des Engländers 1999 mit sieben Niederlagen und dem letzten Platz verlaufen war, so glanzvoll fiel sein Erfolg 2000 mit sieben Siegen aus. Dank der 10,5:3,5 Zähler distanzierte er Weltklassespieler wie Wassili Iwantschuk (9,5) und Jewgeni Barejew (8). Der Stil des Lübecker Bundesligaspielers wirkt unscheinbar, ist aber brandgefährlich. Dies bekam Wladimir Kramnik besonders zu spüren, als er in Dortmund gegen Adams seine Serie von 82 Partien ohne Niederlage einbüßte. Der 29-Jährige spielt weniger spektakulär als manch anderer Top-Großmeister - „Tricky Mickey" ist aber auch weit weniger Schwankungen unterworfen als die Konkurrenz. Stets findet man ihn in der erweiterten Spitze jedes Weltklasseturniers. So kämpfte sich der Box-Fan kontinuierlich in der Weltrangliste nach vorne und steht mittlerweile auf Platz vier. Im Fischer Random Chess verfügt Adams zwar über wenig Erfahrung, aber dass die Grundstellungen ausgelost werden und somit Eröffnungsvarianten keinerlei Bedeutung zukommen, scheint eher ein Vorteil für den einst mit 17 Jahren jüngsten britischen Meister. Der Pragmatiker kommt mit einigen untypischen Positionen weit besser als die Rivalen zurecht.

 

Mainz Chess Classic: Peter Leko

Peter Leko
Ungarn, geb. 8. September 1979
Elo 2730, Nr. 7 der Weltrangliste

   Peter Leko ist der jüngste Großmeister im elitären Zirkel der Spieler mit einer Elo-Weltranglistenzahl von über 2700. Dass der 21-Jährige durchaus den Allerbesten Paroli bieten kann, demonstrierte der Ungar im Giants 2000. Zwar teilte er mit Alexander Morosewitsch (beide 3,5:6,5 Punkte) den letzten Platz im Sechserfeld, doch am dritten Spieltag schlug er erst Wladimir Kramnik und dann Garri Kasparow! Eine Viruserkrankung, die er sich bei der K.o.-WM in Neu Delhi zuzog, bremste den weiteren Aufstieg Lekos in der Weltrangliste. Dort fiel das Ausnahmetalent im April von Platz fünf auf sieben. Langfristig trauen die Experten dem mit einst 14 Jahren jüngsten Großmeister aller Zeiten zu, dass er nach der Schach-Krone greift. Leko sammelte nicht nur wertvolle Erfahrungen als Sekundant von Viswanathan Anand. Mit dem mehrmaligen WM-Kandidaten Artur Jussupow als Trainer soll der Durchbruch bis an die Spitze gelingen. Das Match im Fischer Random Chess dürfte dem Magyaren helfen, auf den 64 Feldern der Fantasie freien Lauf zu lassen. Vor allem den Makel der zahlreichen Unentschieden, den Leko trotz seiner oft vielzügigen Partien trägt, sollte er bei diesem Duell gegen Adams abstreifen können. Für einen Erfolg Lekos spricht die größere Erfahrung im Fischer Random Chess. Der Weltranglistensiebte aus Szeged hat in seinem Heimatland nicht nur den Erfinder dieser Spielart kennen gelernt, Leko spielte auch manche Random-Partie mit Bobby Fischer! Der geniale Weltmeister von 1972 verweigert sich normalem Turnierschach, gewährte aber dem jüngsten Großmeister in der Weltspitze einige Lektionen.

Computer-Matchs

Pocket Fritz
Deutschland

   Computer-Duelle besitzen bei den Chess Classic Tradition. Nach seinem Sieg im Ordix Open 1998 setzte sich Fritz on Primergy auch 1999 im Masters durch. Damals erzielte die Kombination aus der Hamburger Softwareschmiede Chessbase und dem Hochleistungsgerät von Fujitsu Siemens 9,5:4,5 Zähler. Im Vorjahr ertrotzte der „große Bruder" des Pocket Fritz ein 5:5 gegen die in der Weltrangliste auf Platz zwei bis sechs notierten Spieler. Auf einem Handheld spielt das Programm natürlich schwächer, weshalb Michael Adams und vor allem Computer-Experte Peter Leko deutlich favorisiert sind. Aber auf Grund des rasanten technischen Fortschritts dürfte Pocket Fritz in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung wie sein „großer Bruder" nehmen. Spannung verheißt das Duell vor allem, weil hinter Pocket Fritz ein ganz besonderer Entwickler steht: Stefan Meyer-Kahlen aus Düsseldorf ist amtierender vierfacher Computerschach-Weltmeister. Sein Programm Shredder besitzt hohes Schachwissen, das die Frage der Hardware in den Hintergrund treten lässt.

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