Ehre wem Ehren-Großmeister gebührtZum 80. Geburtstag von Rudolf Teschnervon Hartmut Metz, Februar 2002 |
Um seine Person hat er stets wenig Aufhebens gemacht. Selbst an seinem 80. Geburtstag am 16. Februar war ihm derlei Gockelgehabe zuwider. Rudolf Teschner feiert lieber im familiären Kreis und gönnt sich mit Sohn Wolfgang eine einwöchige Flugreise gen Süden. Trotz der Zurückhaltung blieben indes die Leistungen des Berliners nicht im Verborgenen. Am Schachbrett feierte der Internationale Meister einige Erfolge, die ihm heutzutage leichter Hand den Großmeister-Titel einbrächten. Zu seiner Glanzzeit in den 50er und 60er Jahren lag die Messlatte für diese Würde noch deutlich höher als heute. 1992 holte der Weltverband dann nach, was Teschner einst knapp verpasst hatte: Die FIDE verlieh ihm anlässlich seines 70. Geburtstages den Großmeister-Titel ehrenhalber. Aber nicht nur wegen dessen Künsten früherer Tage, sondern vor allem auch wegen seiner besonderen Verdienste als Schachautor.
Dr. Siegbert Tarrasch, Kurt Richter, Rudolf Teschner, Dr. Helmut Pfleger lauten die vier bedeutendsten Schachlehrer der Deutschen im vergangenen Jahrhundert. "Dazu gehört bestimmt auch Dr. Emanuel Lasker", meint Teschner und ergänzt gewohnt bescheiden, "ich bezweifele, ob ich mich mit den Genannten messen darf." Zumindest verbindet den siebenfachen Berliner Meister mit den zuerst genannten drei Großen einiges: Mit knapp elf Jahren machten Klein-Rudolf wundersame Symbole auf 64 karierten Feldern in den Rätsel-Kolumnen der Zeitungen neugierig. Doch niemand in seiner Familie spielte Schach, weshalb er ein in der Auslage eines Steglitzer Geschäfts entdecktes Schachset zusammen mit einem Regelheft aus Reclams Universalbibliothek für 20 Pfennig erwarb, um mit seinem älteren Bruder Hermann das absonderliche Spiel zu erlernen. "Mit zweifelhaftem Erfolg", wie sich Teschner amüsiert erinnert. Die Partien endeten in "wilden Gemetzeln, in denen auch die beiden Könige nicht verschont blieben". Das änderte sich an seinem zwölften Geburtstag 1934: Sein Vater Ernst schenkte ihm "Das Schachspiel" von Tarrasch. Damit erzielte der gute Realschüler enorme Fortschritte, die nicht nur den beiden Königen auf dem Brett zugute kamen. Teschner wurde sieben Mal Berliner Meister, 1948 in Bad Doberan Ostzonen-Champion, sicherte sich 1951 die gesamtdeutsche Meisterschaft und spielte das Jahr darauf bei der Olympiade am ersten Brett der Nationalmannschaft. In seiner Karriere trotzte der umtriebige Schach-Journalist zahlreichen Koryphäen. Unter anderem gelang ihm 1962 beim Interzonenturnier in Stockholm ein Remis gegen Bobby Fischer. Seine beste internationale Platzierung war der mit Wolfgang Unzicker geteilte vierte Rang in Bamberg 1968 hinter Paul Keres, Tigran Petrosjan und Lothar Schmid.
Anno 1949 ließ sich Teschner, der seine Frau Elisabeth drei Jahre zuvor im Strandbad Wannsee kennen gelernt hatte und die auch mehrfache Berliner Meisterin war, beim Arbeitsamt Steglitz als "Fachschriftsteller" eintragen. Der technische Angestellte, der in den Kriegsjahren mit Drehzahlmessern für Panzer und Autos zu tun hatte, war Anfang der 40er Jahre mit Kurt Richter in Kontakt gekommen. Im "Schachkalender 2002" (Seiten 28 bis 45/Edition Marco) heißt es, der "gestandene Schachschriftsteller, Jahrgang 1900, ermunterte ihn, in seine Fußstapfen zu treten". Dankend akzeptierte der Positionsspieler, der im Geiste von Tarrasch seine Partien anlegte, und half fortan dem Schachromantiker Kurt Richter, dessen große Liebe den Kombinationen gehörte. Beide gaben die "Deutschen Schachblätter" heraus, schrieben für den Berliner "Tagesspiegel" (Teschner bis zum Vorjahr!) sowie andere Zeitschriften und publizierten zahlreiche Bücher. Die "Schule des Schachs in 40 Stunden", die Edition Olms erst vor kurzem neu auflegte, ist das erfolgreichste Schach-Lehrbuch nach dem Zweiten Weltkrieg. Über 140.000 Exemplare des Klassikers von Teschner gingen über die Ladentheke. Eine erstaunliche Zahl, sind doch deutschsprachige Schachautoren heutzutage bereits froh, wenn sie eine kleine vierstellige Bücherzahl an den Mann bringen. Auch die Herausgabe des in der Kriegszeit "gesäuberten" Klassikers von Jean Dufresne wurde ihm anvertraut.
Im Oktober 1950 rief der gebürtige Potsdamer die "Deutsche Schachzeitung" wieder ins Leben, nachdem sie der Verlag Walter de Gruyter sechs Jahren lang pausieren lassen musste. Seine Bücher erschienen der höheren Auflagen wegen jedoch im Goldmann Taschenbuchverlag, der Franckh'schen Verlagshandlung und schließlich dem Falken-Verlag. Taktikguru Kurt Richter arbeitete inzwischen ihm zu, weil der Leipziger Verlag die "Deutschen Schachblätter" einstellte - zu wenig Parteinahme für den Sozialismus war nicht gerne gesehen. Die Zeitschrift wanderte nach Bayern ab; Richter blieb in der "Hauptstadt der DDR". Auf den seltsamsten Wegen ließ der West-Berliner Teschner fortan seinem Freund und Mitstreiter bis zu dessen Tod 1969 die Honorare über die Mauer zukommen. Noch 20 Jahre lang produzierte der spätere Ehren-Großmeister die "Deutsche Schachzeitung" mit zahlreichen anderen hochkarätigen Mitarbeitern wie Euwe, Botwinnik, Hübner, Gligoric, Unzicker, Hecht, Pfleger, Werner Speckmann, der den Problemteil bearbeitete, und seinem alten Freund Dr. Heinz Lehmann. Letzterer übrigens der zweite deutsche Ehren-Großmeister, der ebenfalls 1992 von der FIDE den Titel verliehen bekam. 1989 gab dann de Gruyter seine Schachabteilung angesichts der größer gewordenen Konkurrenz auf. Der Namen der "Deutschen Schachzeitung" ging mit im "Schach-Report" auf. Später kaufte der Sportverlag diesen Titel samt des verbliebenen kargen Abonnenten-Stammes und ließ ihn in "Schach" einfließen. Rudolf Teschner, der sein Salär regelmäßig durch zahllose Volkshochschul-Kurse in Berlin aufgebessert hatte, begab sich mit 67 Jahren in den Ruhestand.
Pardon, Vorruhestand. Denn noch heute ist die "Leseratte", die Shakespeare sowie die klaren Formulierungen von Nietzsche und Schopenhauer besonders schätzt, für die Edition Olms als Mitherausgeber tätig. Zusammen mit Viktor Kortschnoi und Helmut Pfleger ist der Hobby-Bridgespieler für das Schachprogramm des bei Zürich beheimateten Verlages verantwortlich. Als Autor, Bearbeiter und Übersetzer trägt Teschner nach wie vor maßgeblich zum Ruf bei, der den Schweizern als "Rolls-Royce unter den Schachbuchverlagen" (Großmeister Gerald Hertneck) anhaftet. Momentan arbeitet der frühere Bundesligaspieler, der für den heute mit Lasker Steglitz fusionierten SV Wilmersdorf antrat, an einer Neuausgabe des Tarrasch-Klassikers "Die moderne Schachpartie", die 2003 auf den Markt kommen soll. "Herr Teschner ist immer noch der Erste, der sofort per E-Mail auf ein Anliegen antwortet", schätzt Verlagschef Manfred Olms seinen rüstigen 80-jährigen Mitherausgeber.
Nachstehend zwei Partien, in denen der deutsche Ehren-Großmeister namhafte Großmeister bezwang: Gideon Stahlberg und Lubomir Kavalek. Die Kommentare stammen von Rudolf Teschner und Arno Nickel. Außerdem eine Kombination, bei der der Ungar Lajos Portisch in einer interessanten Partie einen hübschen Gewinn gegen den Jubilar ausließ.
|
Teschner,R - Stahlberg,G [B80]
|
|
Kavalek,L - Teschner,R [C72]
|
|
Teschner,R - Portisch,L [C02]
|