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Großmeister des Fernsehens

2. Teil zum 60. Geburtstag von Helmut Pfleger

von FM Hartmut Metz, 16. August 2003

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Wladimir Kramnik gratuliert Dr. Helmut Pfleger zu seinem 60. Geburtstag

Weltmeister Wladimir Kramnik (links) gratuliert Dr. Helmut Pfleger zu seinem 60. Geburtstag. Foto: Dagobert Kohlmeyer

 

   Helmut Pfleger ist gut damit gefahren, doch nicht Schach-Profi zu werden. Seine Praxis betreibt der 60-Jährige en passant, seine Bücher mit den gesammelten "Zeit"-Kolumnen sind für Schachverhältnisse Bestseller. Im Vorjahr flimmerte der ehemalige Moderator der Telekolleg-Reihen Biologie und Chemie im Juli und August jeden Werktag mit der Reihe "Zug um Zug - Schach für jedermann" über den Bildschirm. Heuer ist Pfleger viermal zu sehen. Nach den drei Sendungen über die Dortmunder Schachtage steht am 19. August (0.35 Uhr) der alljährliche TV-Höhepunkt für deutsche Schachspieler an: "Schach der Großmeister". Auch bei der 21. Auflage heißt sein "kongenialer Partner" Vlastimil Hort. Der einstige Weltklassespieler aus Köln könnte fast Pflegers Zwilling sein: Auch demnächst 60 und voller Anekdoten. Für zusätzliche Erheiterung sorgt sein stimmlicher Singsang. Der ehemalige Tscheche radebrecht wie der brave Soldat Schwejk.

   Mal mimt Dr. Pfleger den "dummen August" zum Wohle des TV-Kunden, mal Hort. Die beiden Großmeister spielen mit Gästen und einem Schachprogramm, das bei den Analysen hilft, besonders spannende Partien von den Dortmunder Schachtagen nach. Der Zuschauer bekommt an den entscheidenden Stellen die Zugfolgen und Varianten auf einem eingeblendeten virtuellen Brett präsentiert. Bei "Schach der Großmeister" sitzen sich zwei Koryphäen live im Studio gegenüber. Diesmal die große Nachwuchshoffnung aus Dortmund, Arkadij Naiditsch (17), und der ehemalige holländische WM-Finalist Jan Timman.

   Die Live-Übertragung birgt die Gefahr, dass eine langweilige Remispartie aufs Brett kommt. Dann kann eine zweieinviertelstündige Sendung zur Qual werden. Dazu trägt auch zuweilen der Produzent bei: Unnötig oft mischt sich in den letzten Jahren Claus Spahn als unbeleckter Fragesteller ein. Der jetzt mit 65 pensionierte WDR-Redakteur stört vor der Kamera, wird aber von den beiden Großmeistern geduldet. Stoisch wie einst Pfleger, als er Ende der 70er wegen einer wissenschaftlichen Untersuchung vor der Partie gegen Ex-Weltmeister Boris Spasski Betablocker schluckte und ungerührt unterging, beantworten sie auch die Fragen des Produzenten zur Live-Begegnung im Studio. Karge 34 Minuten und 20 Sekunden wurde 2002 in 26 Kurzbeiträgen über das königliche Spiel im deutschen Fernsehen berichtet, teilte der Deutsche Schachbund (DSB) vor kurzem mit. Pfleger fehlt in der Statistik. Der Schach-Guru brachte es alleine mit über 14 Stunden auf rund die 25-fache Sendezeit!

 

Dr. Helmut Pfleger mit Großmeister Klaus Bischoff in der Kommentator-Kabine

 

   Trotzdem bewertet er die Entwicklung im Fernsehen als "miserabel, wenn man es mit früher, den goldenen Zeiten, als es noch wirklich viel Schach im Fernsehen gab, vergleicht". Bis 1993 war das, ehe Garri Kasparow "diese Riesendummheit" mit der Abspaltung vom Schach-Weltverband FIDE beging. Als es nur einen Weltmeister gab, "liefen die Sendungen nicht nach Mitternacht, sondern zu guten Sendezeiten in allen dritten Programmen und teilweise in 3.Sat und im ZDF". Bei den Öffentlich-Rechtlichen sei früher noch "viel mehr Geld da gewesen". Deshalb müssten die Schachspieler "heilfroh sein, dass es den Claus Spahn gibt. Er setzte sich als Redakteur stets beim WDR ein. Er schied jetzt zwar aus, hat sich aber ausbedungen, dass die Schach-Sendungen zumindest noch bis 2005 weitergehen. Ich befürchte, dass sie danach ohne Fürsprecher auslaufen".

   Dabei brüsten sich doch gerne Entscheider und Promis mit ihren Schachkünsten und schmücken sich mit einem Intellektuellen-Image. Beispielsweise Ottmar Hitzfeld. Der Fußballtrainer des FC Bayern posierte einst für die Sport-Bild hinter einem Schachbrett. Die Figuren waren - worauf jeder Vereinsspieler beim Betrachten eines Fotos automatisch achtet - unsinnig aufgebaut. Dem versierten Felix Magath wäre das nicht passiert. Der Stuttgarter Trainer und der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zählen zu den Stammgästen in Pflegers Sendungen. Noch häufiger bringt dort Otto Schily seine Gehirnwindungen auf Trab. "Wenn der Sportminister wieder dabei ist, kann das nur förderlich sein", räumt der 60-Jährige unverblümt ein. Dem "Märchenonkel" geht es dabei nicht um sein eigenes Happyend. Vielmehr bangt der Geschichtenerzähler um sein Lebenselixier, das ihn gefangen hält: "Schach besitzt viele Werte, die andere Spiele einfach nicht haben."

   1978 verhalf die deutsche Nationalmannschaft Ungarn zur sensationellen Goldmedaille bei der Schach-Olympiade. In Buenos Aires bezwang die Auswahl um Pfleger, der Lew Polugajewski sehenswert schlug, Seriensieger Sowjetunion mit 2,5:1,5.

 










W: Polugajewski S: Pfleger

 

1.c4 Sf6 2.Sf3 e6 3.g3 d5 4.Lg2 c5 5.cxd5 exd5 6.d4 Sc6 7.0-0 Le7 8.Sc3 0-0 9.Lg5 c4 10.Se5 Le6 11.Sxc6 bxc6 12.b3 Da5 13.Sa4 Tfd8 14.e3 c5 15.Lxf6 gxf6 16.dxc5 Lxc5 17.Dh5 Tac8 18.Tfd1 Lf8 19.Tac1 Db4 20.Lxd5? Besser ist 20.Sc3! cxb3 21.Sxd5 Txd5 22.Lxd5 Txc1 23.Txc1 b2 24.Tb1 Dc5 25.e4 Dc1+ 26.Dd1 La3 27.Lxe6 fxe6 28.Kg2 Dc4 29.Dd8+ Kg7 30.Dd7+ Kg6 31.Txb2 Lxb2 32.De8+ Kg5 33.Dg8+ Kh6 34.Df8+ und die Partie endet durch Dauerschach. 20...Txd5! 21.Txd5 cxb3! Die Pointe der schwarzen Kombination. 22.Txc8 Lxc8 23.axb3? Das verliert endgültig. Pfleger empfahl 23.Dd1 Dxa4 24.axb3 Dc6 25.Td8 f5 wonach Schwarz besser steht, aber noch lange nicht den Punkt unter Dach und Fach hat. Zum Mattangriff führt 25...Lb7?? sehr wohl - allerdings auf der eigenen Seite! 26.Dg4+ Kh8 27.Txf8# 23...Lg4 24.Dh4 De1+ 25.Kg2 Le2 Droht Df1 matt. 26.g4 Df1+ 27.Kg3 Dg1+ 28.Kf4 Dg2 Damit ist die Partie gelaufen. Es droht diesmal auf f3 ein Matt, zudem hängt der Turm auf d5. 29.Dxf6 Dxf2+! Das ist noch stärker als Dxd5. 29...Dxd5 30.Ke5 Dxe3+ 31.Kf5 Df3+ 32.Ke5 In der Datenbank wird 32.Kg5 angegeben. Das kam aber wohl vor 25 Jahren kaum aufs Brett. Das einzügige Matt auf g4. Dxg4# hätte sich der gefürchtete Taktiker Pfleger gewiss nicht entgehen lassen. 32...De3+ 33.Kf5 Ld3+ 34.Txd3 Dxd3+ 35.Kg5 De3+ 36.Kh5 Le7 Angesichts der traurigen Wahl zwischen Damenverlust und Matt streckte Polugajewski die Waffen. 0-1

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