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Gegen das "Horror-Szenario" andenken

Stuttgarter Schachfreunde sind sich sicher: Neue Bundesliga-Saison endet nicht als Debakel ohne Punktgewinn

von FM Hartmut Metz, November 2004

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   "Zum Auftakt gibt es am Samstag bei Köln-Porz gleich eine 7:1-Klatsche", hegt Wolfgang Schmid keinen Zweifel daran, dass für die Stuttgarter Schachfreunde 1879 (SSF) die Bundesliga-Saison so beginnt, wie sie die gesamte Saison verlief: mit Niederlagen. 0:28 Punkte, abgeschlagen Letzter - so lautete die deprimierende Bilanz des größten baden-württembergischen Schachklubs. Doch das Schlusslicht blieb dennoch im Oberhaus. Nachdem Meister Lübeck bereits vor der Saison die Mannschaft zurückgezogen hatte und die Bremer SG und Anderssen St. Ingbert folgten, passte im Mai auch noch der Tabellenvorletzte Plauen. So musste Schmid mit seinen Stuttgarter Vorstandskollegen "binnen 48 Stunden entscheiden, ob man das Wagnis Bundesliga noch einmal eingeht". Die Landeshauptstädter gaben ihre Zusage, obwohl mit dem Ukrainer Michail Golubew bereits der beste Spieler den Verein in Richtung Zweitligist Remagen verlassen hatte.

 

Michail Golubew

Der Ukrainer Michail Golubew verließ die Schwaben in Richtung Remagen. Foto: Metz

 

   Das drohende Debakel gegen Porz nimmt Schmid gelassen, schließlich sind die Domstädter Meister und einziger Titelkandidat neben dem Vorjahreszweiten SC Baden-Oos. Der erste Höhepunkt für die Stuttgarter folgt gleich am Sonntag in Köln. "Das Match gegen Hofheim ist richtungsweisend", befindet der zweite Vorsitzende. Schmid will dann mit seinen Mannschaftskameraden die Negativserie beenden. Dass die Chance darauf für den bisherigen Prügelknaben realistisch ist, kann er statistisch belegen: "Hofheim hat in Bestbesetzung an den acht Brettern durchschnittlich nur zehn Elo-Weltranglisten-Punkte mehr als wir." Mathematisch gesehen bedeutet dies einen Leistungsunterschied von nur etwa 1,3 Prozent. Nicht viel stärker - dank der Tagesform vernachlässigbare drei Prozent - sind laut der Weltrangliste, wie Kapitän Gerhard Lorscheid exakt berechnete, die Aufsteiger Erfurt, Preetz und Eppingen. "Wir sind zwar erster Anwärter auf den Abstieg, aber ganz abschreiben würde ich uns nicht", verliert der an Nummer neun im 14er-Kader gesetzte Lorscheid angesichts vier schlagbarer Kontrahenten den rettenden Platz zwölf nicht völlig aus den Augen.

 

Tomas Oral

Neuer Spitzenspieler der Stuttgarter: Tomas Oral. Foto: Fietz

 










Oral,T (2546) - Kasparov,G (2838)
Simultan Prag 2001

34.Sf6+! Kf7 35.Tc7+! Ke6 36.Tc4! Dxc4 oder 36...Da5 37.Sxh7 und Weiß steht deutlich besser 37.Te1+ Kf7 38.Dxc4 Kxf6 39.h4+- und Weiß gewann in 74 Zügen 1-0

 

   Obwohl Stuttgart als einziger der 16 Bundesligavereine nur die Spesen seiner Akteure übernimmt, schlossen sich dank privater Kontakte gleich zwei Großmeister dem reinen Amateurklub an: Der neue Spitzenspieler Tomas Oral (Tschechien) verdient seine Brötchen als Programmierer. Der 20-jährige Serbe Nikola Sedlak zeigte sich ebenso wie Oral darauf erpicht, an vorderster Bundesliga-Front Erfahrungen gegen Asse wie den derzeit besten Spieler der Welt, Viswanathan Anand (Indien), oder den Russen Peter Swidler (beide Baden-Oos) zu sammeln. Dem dritten Großmeister im Bunde, Eckhard Schmittdiel, ist es mehr als Recht, dass er deshalb zwei Bretter nach hinten rutscht. Als dritter Neuzugang kam an Position sieben Branimir Vujic dazu. Der 37-Jährige hatte in der vergangenen Saison als Spitzenspieler von Oberligist Pfullingen überzeugt. Dem steht neben Golubew nur ein weiterer Abgang gegenüber: Hedinn Steingrimsson zog wegen seiner Promotion an der Universität nach Bremen um.

 

Eckhard Schmittdiel

Großmeister Eckhard Schmittdiel ist heilfroh, zwei Bretter weiter hinten für die Schwaben spielen zu können. Foto: Metz

 

   Das erste der zwei Heimspiel-Wochenenden findet vom 26. bis 28. November statt. Im Vaihinger Allianz-Sportstadion erwarten die SSF zunächst am Freitagabend den TV Tegernsee. Am Samstag und Sonntag folgen in der Dürr AG in Zuffenhausen die Duelle mit den Berliner Teams aus Kreuzberg und Neukölln. Schade für die Zuschauer: Alle drei Gegner besitzen zwar starke Großmeister in ihren Reihen - dem neuen Stuttgarter Reisepartner Tegernsee fehlt allerdings das Flair des SC Baden-Oos mit Anand&Co.

   Schmid gibt sich auch deshalb optimistisch, weil einige Akteure aus dem bisherigen Kader zuletzt überzeugten. "Andreas Reuss wurde erstmals württembergischer Meister", betont der zweite Vorsitzende und setzt fort, "der Schweizer Severin Papa machte zuletzt Riesensprünge. Er versucht sich derzeit als Profi zu etablieren." Logische Folge für den Schachspieler aus all den positiven Entwicklungen bei den Stuttgarter SF: "Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir wieder keinen Punkt holen!"


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