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Lekos Rettung in James-Bond-Manier
Dalí sorgt für den Höhepunkt der surrealistischen Schach-WM
von FM Hartmut Metz, 16. Oktober 2004
mehr Schachtexte von Hartmut Metz |
Der Weltmeister: Wladimir Kramnik
Noch zwei Partien bleiben Wladimir
Kramnik, um den WM-Titel zu verteidigen. Bisher hinterlässt der
Schach-Weltmeister aus Russland einen ungewöhnlich schwachen Eindruck
gegen Herausforderer Peter Leko. Der Ungar benötigt zwar meist etwas
mehr Bedenkzeit, hat aber letztlich keine Probleme, sämtliche
Gewinnanstrengungen seines 29-jährigen Gegners im Keime zu ersticken.
Das wird heute in der 13. der 14 Partien in Brissago nicht anders sein, da
Kramnik mit Schwarz bisher nicht viel unternahm. Leko geht kein großes
Risiko ein, so dass Kramnik am Montag im letzten Duell mit Weiß alles
auf eine Karte setzen muss. Momentan führt Leko zwar mit 6,5:5,5 - aber
ein 7:7 reicht dem Titelverteidiger, um Weltmeister zu bleiben.
Der Herausforderer: Peter Leko
Der Wettkampf erntete viel Kritik.
Die Hälfte der Partien bestand aus blutleeren Remisgeschiebe. Einzig
in Runde acht ging es hoch her. Dabei misslang Kramnik die Vorbereitung mit
dem Computer. Auf einem durchschnittlichen Rechner wähnen Schach-Programme
Weiß durch ein zunächst genial scheinendes Damenopfer für
einen Turm etwa eine Viertelstunde lang auf der Siegerstraße. Erst
nach tieferem Schürfen ändern sie die Stellungsbewertung radikal
und schwenken ins Lager von Schwarz um. Der Brite Malcolm Pein kommentierte
die Stellungsabschätzung trefflich: "Die Bewertung geht von +6 auf -14
nach unten wie ein Bungeesprung, den James Bond unweit von hier von einer
Klippe im Tessin in seinem Film 'Golden Eye' vollführte." Leko schaffte
wie der Meisterspion 007 das schier Unmögliche und fand die Widerlegung.
Ein kurzer Ausbruch aus der Langeweile, weil Kramnik oder seine Sekundanten
Miguel Illescas, Peter Swidler und Jewgeni Barejew den Computer bei der
Vorbereitung zu früh ausgeschaltet hatten.
Zumindest am Montag werden die
Zuschauer für die 20 Euro Eintritt garantiert auf ihre Kosten kommen.
Spätestens nach der Krönung des neuen Weltmeisters gibt es im Centro
Dannemann Beeindruckendes zu sehen: Der WM-Sponsor eröffnet in seinem
Hauptsitz am Lago Maggiore eine Dalí-Ausstellung. Dalís Meisterwerk
"Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine
Sekunde vor dem Aufwachen" wird dem Unterlegenen sicher zu denken geben.
Wäre er nur so aggressiv wie die zwei Tiger auf dem Ölgemälde
zu Werke gegangen. Stattdessen bleibt nur das Aufwachen aus dem Albtraum
nach diesem surrealistisch wirkenden Wettkampf.
Die achte WM-Partie:
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Kramnik,W (2770) - Leko,P (2741) [C89]
WM Brissago SUI (8), 07.10.2004
1.e4
e5
2.Sf3
Sc6
3.Lb5
a6
4.La4
Sf6
5.0-0
Le7
6.Te1
b5
7.Lb3
0-0
8.c3 Erstmals lässt
Kramnik in diesem Match den Marshall-Angriff zu. Das giftige Gambit des
amerikanischen Großmeisters feierte immer wieder in seinen hundert
Jahren eine Renaissance und wurde durch neue Ideen wieder spielbar gemacht.
Auf höchstem Niveau versucht Weiß daher oft, den Marshall-Angriff
zu umgehen. Die geeigneten Züge dafür sind 8.a4 oder d4.
[8.a4 ;
8.d4 ]
8...d5
9.exd5
Sxd5
10.Sxe5
Sxe5
11.Txe5
c6
12.d4
Ld6
13.Te1
Dh4
14.g3
Dh3
15.Te4
[15.Df3
Le6
16.Dg2
Dh5
17.Ld1
Dg6
18.Sd2
Tae8
19.Se4
Lf5
20.f3+/= bescherte im
Vorjahr in Dortmund Viorel Bologan leichten Vorteil gegen Arkadij Naiditsch.]
15...g5
16.Df1
[16.De2 ist wieder eine
Alternative, die Bologan 2003 gegen Alexander Onischuk versuchte und nach
dem Qualitätsopfer zu unklarem Spiel führte.
16...Lf5
17.f3
Lxe4
18.fxe4
Tae8
19.Sd2
f5
20.e5
f4 ;
16.Lxg5? verliert nach
16...Df5 Material.]
16...Dh5 Im Sinne
des Gambits behält Leko lieber die Damen auf dem Brett. Mit diesen
lässt sich schließlich eher Verwirrung stiften, zumal Kramnik
gerne ins Endspiel übergeht, was sein Damentauschangebot unterstreicht.
17.Sd2
Lf5
18.f3 Dieses angebotene
Qualitätsopfer ist zum Standard geworden. Schwarz nimmt es aber nie
an, weil danach die weißen Leichtfiguren dominieren und der Anziehende
durch das starke Zentrum mehr als Kompensation besitzt.
18...Sf6
19.Te1
Tae8
20.Txe8
Txe8
21.a4
Dg6
22.axb5?!
[22.Se4
Sxe4
23.fxe4
Lxe4
24.Lxg5
bxa4
(24...Dxg5?
25.Dxf7+ )
25.Lc4
(25.Txa4?
Tb8-+ )
25...Tb8
26.De2
Ld5
27.Lxd5
cxd5
28.Lc1
Tb6
29.Df3! ist für
Weiß etwas besser.
(29.Txa4? erlaubt
dagegen den Konter
29...Lxg3!
30.hxg3
Te6
31.Le3
(31.Df2
Dg4
32.Tb4
Dd1+
33.Kg2
Te2
34.Lh6
f5
35.Tb7 und Weiß
muss ums Remis kämpfen.)
31...Dxg3+
32.Dg2
Txe3
33.Dxg3+
Txg3+
34.Kf2
Tg6 mit einem Mehrbauern
für Schwarz.) ]
22...Ld3
23.Df2? Der fatale
Vorbereitungsfehler. [Mit
23.Dd1
Le2
24.Dc2
Ld3
25.Dd1 und Zugwiederholung
war immer noch die Notbremse zu ziehen.]
23...Te2
24.Dxe2 Jetzt bleibt
Kramnik nichts anderes mehr, als seinen Plan durchzuziehen.
24...Lxe2
25.bxa6
Dd3! Leko will den
a-Bauern gar nicht aufhalten, sondern attackiert stattdessen den nur von
einem Springer verteidigten König.
26.Kf2
[26.a7
De3+
27.Kg2
Lxf3+
28.Sxf3
De2+
29.Kg1
(29.Kh3
Df1# )
29...Sg4
30.a8D+
Kg7-+ und Schwarz setzt
in allen Varianten matt.]
26...Lxf3! Trotz
des f3 zweimal verteidigenden Königszugs erneut richtig!
27.Sxf3
Se4+
28.Ke1
Sxc3!
[28...Sxg3?
29.Ld1!
Df1+
30.Kd2
Se4+
31.Kc2
Sf2
32.Ld2
Sxd1
33.Se1!
De2
34.a7
Se3+
35.Kb1
Dxd2
36.a8D+
Kg7
37.Ka2
Lxh2
38.Dxc6 belässt
Weiß im Spiel.]
29.bxc3
[29.Sg1
Se4
30.a7
Lb4+ ]
29...Dxc3+
30.Kf2
Dxa1
31.a7
h6 Leko lässt
sich auf nichts mehr ein und deckt erst einmal seinen g5-Bauern. Mit Dame
und Bauer gegen zwei Figuren steht sein Sieg außer Frage.
32.h4
g4
[32...g4
33.Se5
Dxa7
34.Sxf7
Dxd4+
35.Le3
Db2+
36.Kf1
Dxb3 ] 0-1 |
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