Rechenmonster verteidigt sich perfektWeltmeister Kramnik muss sich zum Auftakt gegen Schach-Programm "Deep Fritz" mit Remis bescheidenText und Foto von FM Hartmut Metz, November 2006 |
Wladimir Kramnik
Der Mensch hat die Maschine beherrscht dennoch musste Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik zum Auftakt seines mit einer Million Dollar dotieren Zweikampfes mit einem Remis gegen das Programm Deep Fritz zufrieden sein. Nach 47 Zügen war das Brett bis auf die zwei Könige, einen Läufer und einen Bauern abgeholzt, weshalb das Unentschieden unvermeidlich wurde. Heute (15 Uhr) findet in der Bonner Kunst und Ausstellungshalle die zweite der sechs Partien statt.
Den ersten Zug machte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der für Kramnik den Damenbauern zwei Felder nach vorne schob. Der Sozialdemokrat zeigte sich froh, dass ich endlich einmal einen Termin habe, der nichts mit Finanzen und Steuern zu tun hat. Der Besitzer von zwei Schachcomputern wünscht sich, dass hier in Bonn auch einmal eine Weltmeisterschaft stattfindet. Der frühere Wirtschaftsminister Werner Müller, mittlerweile Chef von Sponsor RAG, nickte zustimmend. Kirsan Iljumschinow sah es mit Wohlwollen. Der Präsident des Schach-Weltverbandes FIDE und der russischen autonomen Republik Kalmückien muss dann nicht weitere eigene Millionen für Weltmeisterschaften in seiner Hauptstadt Elista verprassen. Flugs stellte Iljumschinow im Gespräch mit unserer Zeitung Bonn bereits die WM 2008 in Aussicht.
Wie direkt nebenan bei der Sonderausstellung der Guggenheim Sammlung mit Werken von Picasso, Kandinsky und Magritte bildeten sich auch vor dem Eingang zu dem Duell Mensch gegen Maschine Schlangen. Die nur 350 Plätze waren umgehend besetzt, die Wartenden konnten sich bei der Ausstellung Schach und Politik die Zeit vertreiben. Und Millionen werden das Match im Internet verfolgen, berichtete Iljumschinow als Chef des zweitgrößten Sport-Weltverbandes mit 165 nationalen Verbänden stolz. Der Kalmücke drückte wie alle dem Menschen die Daumen. Dennoch bewertete der FIDE-Präsident die Chancen der Maschine auf einen Sieg mit 60:40 Prozent höher als die des seit einem Monat vereinigten und unumstrittenen Weltmeisters.
Kramnik bestätigte mit seiner ruhigen Partieanlage, dass er wohl als einziger Profi noch die Programme in Schach halten kann. Das Rechenmonster, das auf seinen vier Prozessoren bis zu zehn Millionen Stellungen pro Sekunde berechnet, ließ der Russe nicht zur Entfaltung bekommen. Der Weltranglistendritte sah mit den weißen Steinen sogar gewisse Gewinnchancen für sich. Mit einer geschickten Wahl wich der 31-Jährige bereits im siebten Zug von der bisher bekannten Eröffnungstheorie ab, so dass Deep Fritz schon hier nicht mehr auf sein gewaltiges Eröffnungsbuch zugreifen konnte und selbst rechnen musste. Als auch noch mit den Damen die mächtigsten Figuren auf den 64 Feldern getauscht wurden, sank das Gefahrenpotenzial erheblich für Kramnik.
In einem Endspiel mit Springer gegen Läufer versuchte er vergebens, seine bessere Stellung zu verwerten. Ich besaß immer leichten Vorteil, sah aber nicht, wie ich den zum Gewinn ausbauen konnte. Der Computer fand immer die besten Fortsetzungen, berichtete der Weltmeister und ergänzte, ich bin weder glücklich noch unzufrieden mit dem Ergebnis. Der Tostedter Landesliga-Spieler Mathias Feist, der für sein Programm die Züge auf dem Brett ausführte, bestätigte die Einschätzung. Deep Fritz habe sich stets nur minimal mit höchstens 0,3 Bauerneinheiten im Nachteil gesehen. Der Programmierer strahlte Zuversicht aus: Das Remis macht uns glücklich. Wenn wir mit Weiß beginnen dürfen, sieht alles ganz anders aus. Die Drohung hatte Kramnik durchaus verstanden. Mit Schwarz ist es viel schwieriger, räumte er vor dem heutigen zweiten Kampf gegen das Rechenmonster ein.
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Kramnik,V (2750) - DEEP FRITZ [E03]
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