Genialer Feuerlöscher gegen RechenmonsterSchach-Weltmeister Kramnik spielt in Bonn gegen Programm "Deep Fritz" um eine Million DollarText und Fotos von FM Hartmut Metz, November 2006 |
Wladimir Kramnik
Es ist wahrscheinlich die letzte Chance, dass ein Mensch einen Computer bezwingt, glaubt Wladimir Kramnik. Der Schach-Weltmeister geht daher am Samstag (15 Uhr) besonders motiviert in das Duell gegen das Programm Deep Fritz. Sollte der Russe sich seinen Traum erfüllen und in den sechs Partien bis zum 5. Dezember die viel zitierte Ehre der Menschheit retten, würde sich seine Antrittsgage in Bonn von 500.000 auf eine Million US-Dollar verdoppeln.
Ein Unentschieden wie das 4:4 2002 in Bahrain empfände Kramnik heutzutage als einen Erfolg. Seitdem ist Deep Fritz vor allem noch schneller geworden. Mittlerweile berechnet die beliebteste Software der Hamburger Firma Chessbase auf einem herkömmlichen PC pro Sekunde acht bis zehn Millionen Stellungen. Vor vier Jahren waren es nicht einmal die Hälfte. Außerdem verbesserte sich das Endspielwissen und Bauernstruktur-Kenntnisse deutlich. In 80 Prozent der Partien hauen wir jetzt die Vorgängerversion weg, berichtet Chessbase-Chef Matthias Wüllenweber.
Dennoch hegt der Schachsoftware-Guru Zweifel, ob das in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland für den angepeilten knappen Sieg reicht. Gegen starke Großmeister haben wir keine Erfahrungswerte und Kramnik ist für uns der unangenehmste Gegner, versichert der 45-Jährige. Der Weltmeister pflichtet bei, denn bisher fielen meine Ergebnisse gegen Computer sehr viel besser aus als die anderer Spieler. Respekt flößt den Hamburgern vor allem Kramniks trockener positioneller Stil ein. In Bahrain bekamen wir bei dem für uns glücklichen 4:4 sein tiefes Verständnis schmerzlich zu spüren. Er nimmt die Dynamik aus den Stellungen raus. Garri Kasparow kann das nicht. Kasparow war 1997 der erste Weltmeister, der einem Programm, dem IBM-Großrechner Deep Blue, mit 2,5:3,5 unterlag. Grund: Der zurückgetretene 43-Jährige setzte gerne das Holzbrett mit schneidigen Attacken in Flammen. Sein Nachfolger agiert dagegen mit dem Feuerlöscher. Taktische Scharmützel, die die Stärke der Rechenmonster sind, pflegt Kramnik im Keim zu ersticken.
Knapp drei Wochen bereitete sich der 31-Jährige im Saarland auf den Wettkampf vor. Zwei Monate hätte Kramnik für angemessen gehalten, doch die WM-Titelvereinigung gegen Wesselin Topalow verhinderte dies. Die von dem Bulgaren inszenierte Toiletten-Affäre hat er inzwischen verdaut. Über Scherze, in Bonn müsste ja eigentlich Fritz gegen Fritz spielen, würde Kramnik auf dem Klo sein Lieblingsprogramm zu Rate ziehen, lacht er. Wenn ich mit meinen Kumpels Karten spiele und einer muss für kleine Jungs, witzeln wir entsprechend, erzählt der am Schwarzen Meer geborene Profi. Kontrahent Topalow tut dem Sohn eines Bildhauers mittlerweile Leid: Er ist mit 31 noch infantil und die Marionette seines Managers Silvio Danailow. Experte Wüllenweber hat entsprechend auch keine Furcht, dass ab morgen sein Programm gegen sein Programm spielt. Die Toiletten-Affäre war nebulöser Quatsch, beurteilt der kühle Hanseat mit Blick auf die WM-Partien und ergänzt, ich kenne Kramnik sehr lange. Das ist ein Mann mit hohen Prinzipien.
Aber auch mit Herz. In diesem trägt der Russe die Illusion, doch zu siegen. Borussia Dortmund bestätigt mich, dass auch der Außenseiter gewinnen kann wer hätte schon mit dem 3:1-Sieg in Bremen gerechnet?, fragt der Fußball-Fan. Um sich in der Kürze der Zeit optimal vorzubereiten, heuerte Kramnik den Kölner Großmeister Christopher Lutz und Stefan Meyer-Kahlen an. Der Düsseldorfer ist der Schöpfer des zehnfachen Rekordweltmeisters Shredder. Lutz half den Entwicklern von Hydra im Vorjahr, als das Programm den englischen Weltranglistenneunten Michael Adams mit 5,5:0,5 auseinander nahm.
Eine ähnliche Schlappe hält der Weltmeister in Bonn für ausgeschlossen. Aber der Tag wird kommen, an dem man selbst an seiner obersten Leistungsgrenze nichts mehr gegen den Computer ausrichten kann, meint Kramnik. In Trainingspartien habe ihn die zehnte Fritz-Version regelrecht begeistert. Computer gewähren einem neue Einsichten. Von ,Deep Fritz kann ich noch lernen und in meinen späteren Turnieren profitieren. Bei Testspielen mit verkürzter Bedenkzeit gewann der 31-Jährige weniger als zehn Prozent der Partien. Mir gelangen jedoch sehr viele Unentschieden, berichtet der weltmeisterliche Feuerlöscher und sieht sich für die Turnierpartien gerüstet, ich erhöhe meine Ausbeute zwar langsam, aber sicher!
Im Trainingslager gewann Wladimir Kramnik weniger als zehn Prozent der Partien gegen Deep Fritz. In Bonn soll sich das ändern.
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Kramnik,Vladimir (2710) - Comp Fritz 3 [A32]
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Comp Fritz/Primergy K800 - Kramnik,Vladimir (2758) [A27]
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Kramnik,Vladimir (2807) - Comp Deep Fritz [D27]
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Comp Deep Fritz - Kramnik,Vladimir (2807) [C45]
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Comp Deep Fritz - Kramnik,Vladimir (2807) [D57]
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Kramnik,Vladimir (2807) - Comp Deep Fritz [E15]
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