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Kramnik spielt wieder weltmeisterlich

Baden-Badener Spitzenspieler Anand bei Olympiade von der Rolle

von FM Hartmut Metz, 17. Juni 2006

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Wladimir Kramnik

Wladimir Kramnik

 

   Wladimir Kramnik hat endlich wieder seine Klasse unter Beweis gestellt. Der gesundheitlich angeschlagene Weltmeister erspielte bei der Schach-Olympiade in Turin die beste Rating-Performance. Seine 6,5:2,5 Punkte gegen hochkarätige Kontrahenten bedeuteten eine Leistung von 2 847 Elo. Der ehemalige Weltranglistenerste aus Russland drohte zuletzt mit einer rund 15 Prozent schlechteren Leistung (2 729 Elo) aus den Top Ten zu fliegen. „Mir geht’s definitiv besser, auch wenn ich mich noch in Behandlung befinde“, berichtete Kramnik nach seinem ersten Auftritt in diesem Jahr. Zuversichtlich blickte er im Interview mit dem Magazin „Peon de Rey“ voraus auf sein im Herbst anstehendes WM-Vereinigungsmatch mit Wesselin Topalow. Gegen den Weltmeister des Schach-Weltverbandes FIDE seien ihm einige seiner schönsten Partien seiner Karriere gelungen, befand Kramnik. Von einer Favoritenrolle des in der Weltrangliste im Juli deutlich führenden Bulgaren kann deswegen keine Rede sein.

   Topalows Abstand vergrößert sich im Übrigen von einem Elo-Punkt auf rund 30. Der Baden-Badener Bundesliga-Spitzenspieler Viswanathan Anand war in Turin wohl so schlecht wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Der direkt vom Superturnier in Sofia angereiste Inder schlug lediglich einen unbekannten Mongolen. Völlig von der Rolle remisierte Anand danach sieben Partien und unterlag anschließend dem Kanadier Pascal Charbonneau. Das auf Platz zwei gesetzte indische Team war völlig von der Rolle, kein Großmeister fand zur Normalform, so dass Anand& Co. nur Platz 30 belegten.

   Hinter Kramnik trumpften der Chinese Wang Yue (10:2) und der ebenfalls in Baden-Badener Diensten stehende französische Spitzenspieler Etienne Bacrot (6:2) auf. Vierter Spieler mit einer Performance von mehr als 2 800 Elo – zum Vergleich: Topalow steht derzeit bei 2 804 Elo – war Magnus Carlsen. Der norwegische Wunderknabe verbuchte ebenfalls 6:2 Zähler. Der jüngste Großmeister aller Zeiten, der Ukrainer Sergej Karjakin (8,5:2,5), und sein Vorgänger, der Chinese Bu Xiangzhi (8:4), belegen ebenso, dass die neue Generation im Vormarsch ist. Bei Sieger Armenien trumpften der ehemalige Vizeweltmeister Wladimir Akopjan (9:3), Spitzenspieler Levon Aronjan (7:4) und Gabriel Sargissjan auf. Er holte mit zehn Zählern aus 13 Duellen hinter Wang Yue, der dafür eine Partie weniger benötigte, die meisten Punkte.

   Den Russen fehlt der starke Nachwuchs, klagte Kramnik. Da der Topfavorit am letzten Brett vier Partien mehr verlor als gewann, belegte der frühere Abonnementsieger nur Platz sechs. An Kramnik lag das nicht, wie auch die nachstehende Partie gegen den Kubaner Lazaro Bruzon beweist.

 










Kramnik,W (2729) - Bruzon,L (2652) [D52]
37. Olympiade Turin ITA (12), 03.06.2006

1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 c6 4.Sc3 e6 5.Lg5 Sbd7 6.e3 Da5 7.cxd5 Sxd5 8.Dd2 Lb4 9.Tc1 h6 10.Lh4 0-0 11.a3 [Beim WM-Match 1929 zwischen Alexander Aljechin und Jefim Bogoljubow erreichte Schwarz eine gute Stellung nach 11.Ld3 e5 12.0-0 Te8 (oder 12...exd4 13.exd4 Te8 ) 13.e4 Sf4 14.Lc4 Sg6 ] 11...Lxc3 12.bxc3 Dxa3 13.e4 Für den geopferten Bauern erhält Weiß das Läuferpaar und Raumvorteil dank des mächtigen Zentrums. 13...Se7 [Bei den Frankfurt Chess Classic 1995 versuchte Eric Lobron gegen Kramnik 13...S5b6 14.Ld3 Te8 15.0-0 e5 16.Lg3 exd4 17.cxd4 Sf8 18.Tfe1 Le6 19.Ta1 De7 20.Db2 Lc4 21.Lc2 mit etwas besserer weißer Position. Schwarz hat jedenfalls Mühe, seine Damenbauern in Bewegung zu setzen.] 14.Ld3 Sg6 15.Lg3 e5 [Im dänischen Duell Nielsen - C.Hansen (Esbjerg 2002) führte 15...b6 16.0-0 Lb7 17.e5 De7 18.h4 c5 19.h5 Lxf3 20.gxf3 Sh4 21.Df4 Sf5 22.Lxf5 exf5 23.Dxf5 zu einer zweischneidigen Stellung mit beiderseitigen Chancen angesichts der Freibauern auf beiden Seiten.] 16.0-0 [In der Vorläuferpartie zwischen Alexander Chalifman und Michail Gurewitsch (Lanzarote 2003) geschah: 16.h4 exd4 17.cxd4 Te8 18.h5 Sgf8 19.0-0 Sf6 20.Ta1 De7 21.Lh4 De6 22.Ta5 b5 23.d5 cxd5 24.exd5 Dd6 25.Lxb5 mit Remisschluss in spannender Stellung! ] 16...Te8 17.Tfe1 Da5?! Das verliert kostbare Zeit. Aggressiver wirkt [17...a5!? , um sogleich auf den a-Bauern zu setzen. In Betracht kommt auch der Damenrückzug; 17...De7 ] 18.Db2 Dd8 19.Lb1 a5 20.Tcd1 a4 21.La2 [Der Bauernrückgewinn 21.dxe5?! spielt nur dem Nachziehenden in die Hände: 21...Db6! 22.Dxb6 Sxb6 23.La2 a3 und Schwarz steht besser, weil der a3-Bauer gefährlich ist und der e5-Bauern anfällig bleibt.] 21...De7 22.Dc1!? Ta5 [22...b5 ist eine sehr gute Alternative.] 23.Dd2 Kramnik laviert weiter umsichtig! [23.dxe5?! Sdxe5 24.Sd4 b5! 25.f4 Sc4 26.Sxc6 Dc5+ 27.Sd4 Ld7 führt höchstens zum Ausgleich.] 23...exd4? [23...b5 bleibt weiter ein sehr guter Zug, um am Damenflügel die Geschehnisse zu forcieren.] 24.Sxd4! Kramnik ist nicht erpicht darauf, seine Bauern im Zentrum zusammenzuhalten. Durch das Schlagen mit dem Springer droht dieser via f5 nach d6 zu gelangen. 24...Dc5 25.Lc7! [25.Lxf7+ erweist sich noch als zu früh, denn 25...Kxf7 26.Da2+ Kf8 27.Se6+ Txe6 28.Dxe6 Sge5 erlaubt eine Blockade.] 25...Ta8? Bruzon schwant nichts Böses. Ansonsten hätte er [25...Sf6 versucht, wonach Schwarz noch kämpfen kann.] 26.Lxf7+! Plötzlich geht dieser Einschlag aus heiterem Himmel. 26...Kxf7 27.Da2+ Kf8 [27...Kf6 verliert sofort wegen des spektakulären 28.Ld8+!! Txd8 29.De6+ Kg5 30.Sf3+ Kf4 (30...Kh5 31.g4# ) 31.g3+ Kxf3 32.Td3+ De3 33.Texe3# ] 28.Se6+ Txe6 29.Dxe6 Im Gegensatz zur Variante im 25. Zug wird der schwarzfeldrige Läufer auf g3 nicht mehr mittels Sge5 vom Spiel ausgeschlossen. Es droht nun auch einfach Ld6+ mit Damengewinn oder noch mehr. 29...Se7 [29...Dg5 beantwortet Weiß mit 30.Txd7! Lxd7 31.Ld6+ Se7 32.Dxd7 a3 (32...Te8 33.Te3 ) 33.f4 Dh4 34.g3 Df6 35.e5 Df7 36.Dxb7 Te8 37.Lxa3 und Schwarz kann getrost aufgeben.] 30.Te3 Ke8 31.Tf3 Dh5 32.Ld6 [32.Ld6 Dg5 33.Tf7 führt zum baldigen Matt.] 1-0

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