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Kampfeslüsterner "Amateur" in Biel

Nur Wunderkind Carlsen hält Morosewitsch ein bisschen in Schach

von FM Hartmut Metz, 19. August 2006

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   Biel versprüht nicht mehr ganz den Glanz früherer Tage. In der französischen Schweiz fanden noch in den 90ern in der Ära von Hans Suri zahlreiche Topturniere statt. Vom Niedergang haben sich die umtriebigen Bieler erholt, auch wenn man noch nicht wieder als Schach-Mekka gilt. Immerhin haben die Eidgenossen eines mit den deutschen Hochkarätern in Dortmund und den derzeit laufenden Chess Classic Mainz gemein: einen „Dominator“. Gewinnt in Dortmund meist Weltmeister Wladimir Kramnik – heuer zum siebten Mal – und in Mainz der indische Schnellschach-Champion Viswanathan Anand (achtmal), triumphiert in Biel Alexander Morosewitsch.

 

Alexander Morosewitsch

Alexander Morosewitsch

 

   Der Russe belegte nach 2003 und 2004 heuer wieder Platz eins. Bisher verbuchte lediglich Ex-Weltmeister Anatoli Karpow in Biel so viele Siege. Dass das nur sechsköpfige Großmeister-Turnier zu einem besonderen Ereignis wurde, war das Verdienst von Morosewitsch. Dem 29-Jährigen mangelt es zwar nach eigener Einschätzung an „fehlender Stabilität. Ich erziele mal gute, mal schlechte Ergebnisse. Das ist meine Schwäche, die mich von wirklich großen Spielern unterscheidet“. Dass der Weltranglistenneunte aber in Gala-Form jeden niederringen kann, unterstrich „Moro“ bis zur neunten Runde: Bis dahin remisierte der Moskauer keine einzige Partie!

   Sieben Siegen standen zwei Niederlagen gegenüber. Ausgerechnet der 15-jährige norwegische Wunderknabe Magnus Carlsen brachte ihm beide bei. „Er ist ein Freigeist, rechnet und spielt schnell. Manchmal scheint er mir etwas ungeduldig. Aber wenn er so weitermacht, kann er weit kommen, sehr weit“, urteilt Morosewitsch über seinen Bezwinger.

   Der Vierte der Weltmeisterschaft 2005 remisierte lediglich in der Schlussrunde gegen Teimour Radjabow schnell und verbuchte 7,5:1,5 Punkte. Der 19-jährige Aserbaidschaner, der derzeit in Mainz Anand im Kampf um die Schnellschach-WM herausfordert, belegte so zusammen mit Carlsen (beide 6:3) Rang zwei. Noch deutlicher abgeschlagen folgten auf Rang vier der Ukrainer Andrej Wolokitin und Lokalmatador Yannick Pelletier (beide 4:5) sowie der außer Form spielende Kubaner Lazaro Bruzon (2,5:6,5).

    Mit der folgenden Partie aus der neunten Runde besiegelte Morosewitsch seinen dritten Bieler Erfolg. Die Partie beinhaltet ausnahmsweise nicht die üblichen verrückten Eröffnungsideen des Russen, aber zeigt mit den Bauernaufzügen vor dem eigenen König das Bemühen um Originalität. Die kaum vorherzusehenden Züge verwirren oftmals die Gegner des „trainingsfaulen Amateurs“, wie sich „Moro“ gerne darstellt.

 










Morosewitsch,Alexander (2731) - Pelletier,Yannick (2583) [C10]
GM-Turnier Biel (Schweiz) (9), 02.08.2006

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Ld3 Sgf6 6.Sxf6+ Sxf6 7.Lg5 c5 8.dxc5 Lxc5 9.Sf3 h6 10.Lh4 0-0 11.Dd2 b6 12.0-0-0 Lb7 13.The1 Le7 14.Se5 Sd5 15.Lxe7 Dxe7 16.a3 Tad8 17.f4 Sf6 18.c4!? Einen Nachwuchsspieler würde man für solch einen Zug tadeln. Morosewitsch entblößt seinen König - und der Russe geht noch weiter ... 18...Dc7 19.b4!? Das sieht nach Selbstmord aus. Nun ist der weiße Monarch noch weniger durch seine Bauern geschützt. 19...Sd7? [19...a5 liegt als Konter auf der Hand, um auf b4 abzutauschen und den Türmen die a-Linie als Einfallstor zu öffnen. Aber sicher gedachte sich Morosewitsch dann mit 20.Kb2 axb4 21.axb4 Ta8 22.Ta1 entgegenzustemmen. Nach Generalabtausch der Türme sollten die Bauern am Damenflügel marschieren.] 20.Kb2 Sxe5 21.fxe5 Kh8?! Schwarz möchte die Türme auf der d-Linie verdoppeln. Gleich geht Td7 nicht wegen des Läuferabzugschachs nach h7. [21...a5 ist aber weiterhin konsequenter.] 22.De3 Td7?! 23.g4! Tfd8 24.g5 hxg5 [24...h5 taugt auch nichts wegen 25.g6 fxg6 26.Dg3 g5 27.Te3 Dc6 28.Td2 und Schwarz hat keine Drohungen mehr, weshalb die Stellung am Königsflügel kollabiert. (28.Dxg5? erweist sich als zu voreilig: 28...Dg2+ 29.Dxg2 Lxg2 erlaubt eine Entlastung.) ] 25.Dh3+ Kg8 26.Dh7+ Kf8 27.Te3 Deckt ruhig den Läufer, um anschließend mit der Dame den tödlichen Streich versetzen zu können. 27...g4 28.Dh8+ Ke7 29.Dxg7 Lf3 30.Lg6!! Tf8 [30...Td2+ 31.Kc3 ] 31.Txd7+ Dxd7 32.Td3 Dc8 33.Df6+ Ke8 34.Td6 Gegen Txe6+ ist nichts mehr zu erfinden. [34.Td6 fxg6 35.Txe6+ Dxe6 (35...Kd7 36.De7# ) 36.Dxe6+ Kd8 37.Dd6+ Ke8 38.e6 ist hoffnungslos für den Nachziehenden.] 1-0

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