Startseite Rochade Kuppenheim

Amateure machen Profis ungehalten

Traumhaft gut besetzte Mainzer Open: Ex-Weltmeister Kasimdschanow vorne

von FM Hartmut Metz, 9. September 2006

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Die Chess Classic Mainz brechen Jahr für Jahr die eigenen Rekorde. Kletterte die Zahl der Teilnehmer in allen Wettbewerben Mitte August auf 976, dürfte 2007 die vierstellige Marke fallen. Zum Mekka für Profis wie Amateure wird das sechstägige Spektakel vor allem durch das Ordix Open. 632 Spieler gingen an den Start, darunter 52 Großmeister und insgesamt 177 Titelträger des Schach-Weltverbandes FIDE!

   Sensationen bleiben in solch einem großen Feld natürlich nicht aus. Der an Nummer fünf gesetzte Jewgeni Barejew, der zu Glanzzeiten diese Position auch in der Weltrangliste einnahm, übernahm die Rolle als erstes Opfer. Der Russe zog gegen Christoph Pfrommer von den Karlsruher Schachfreunden den Kürzeren. Der Zweitligaspieler setzte ihn im Endspiel matt und erntete dafür vom Publikum, das das Brett eng umsäumte oder die Begegnung auf der großen Leinwand gebannt verfolgte, viel Applaus. Pfrommer hatte schon wenige Tage zuvor eine brillante Partie im badischen Pokal-Finale gespielt und Joachim Kick mit einem Opferreigen matt gesetzt. Freilich half es wenig – die Karlsruher SF unterlagen dennoch Titelverteidiger Caissa Rochade Kuppenheim mit 1,5:2,5.

   Ein Kuppenheimer Oberliga-Spieler zählte bei den Chess Classic auch zunächst zu den positiven Überraschungen. Der einstige deutsche Kaderspieler Günther Tammert machte sich kurz vor seinem 40. Geburtstag selbst ein schönes Geschenk mit einem Remis gegen Lev Gutman. Der Großmeister gab sich nach dem unerwarteten Ergebnis – wie so mancher seiner Zunft – recht ungehalten. „Das kennt man von ihm“, kommentierte Tammert gelassen.

   Am zweiten Tag sind dann die meisten Amateure doch abgeschlagen und die Profis an der Spitze im Ordix Open unter ihresgleichen. Letztlich setzte sich kein Geringerer als Ex-Weltmeister Rustam Kasimdschanow durch. Der in Solingen lebende Usbeke gab in elf Begegnungen nur drei Remis ab und lag somit hauchdünn vor dem Aserbaidschaner Schachrijar Mamedjarow (beide 9,5:1,5 Punkte). Platz drei ging an den Weltranglistenneunten Alexander Morosewitsch (Russland), der die Riege der fünf Spieler mit 9:2 Zählern anführte.

   In der abwechslungsreichen Partie gegen Pfrommer überzog Barejew – und in Zeitnot entging ihm dann noch eine sehenswerte Rettungschance.

 










Pfrommer,Christoph - Barejew,Jewgeni [A80]
Ordix Open Chess Classic Mainz (2), 20.08.2006

1.d4 f5 2.Sf3 Sf6 3.g3 g6 4.b4 c6 5.c4 a5 6.b5 a4 7.Sbd2 Da5 8.bxc6 bxc6 9.Lg2 Se4 10.0-0 Sc3? Ein überflüssiger Zug, nach dem Schwarz nur Schwierigkeiten bekommt. 11.De1! Lg7 12.e4 f4? Barejew versucht die Stellung geschlossen zu halten, gerät dadurch aber noch mehr in die Bredouille. 13.Sb1 Sxb1 14.Dxa5 Txa5 15.Txb1 Ta8 16.Lxf4 Weiß hat nun einen Bauern mehr und die weit bessere Entwicklung. 16...Sa6 17.Le5 Lxe5 18.Sxe5 c5 19.Tfd1 cxd4 20.Txd4 Sc5 21.Sd3 Se6 22.Td5 0-0 23.e5 Ta7 24.Sc5 Sxc5 25.Txc5 d6 26.exd6 exd6 27.Ld5+ Kg7 28.Tc6 Lf5 29.Tbb6 a3 30.Ta6? [30.Txd6 sorgt für klare Verhältnisse. Danach ist 30...Lb1 nicht zu fürchten wegen 31.c5 und a2 ist gedeckt sowie der c-Bauer bereit, in Richtung Umwandlungsfeld zu marschieren.] 30...Te7 31.Kg2?! [31.Txd6 Te1+ 32.Kg2 Ld3 33.f4 Te2+ 34.Kf3 Txa2 35.Ta7+ Kh8 (35...Kh6 36.g4 Le2+ 37.Kg3 und 38.g5+ nebst 39.Txh7 matt ist nur noch durch 37...Lxg4 zu parieren, was jedoch ebenso hoffnungslos ist.) 36.Tdd7 Txh2 37.Txa3 Lf5 38.Te7 g5 39.Taa7 gxf4 40.Kxf4! mit noch immer prächtigen Gewinnchancen für Weiß.] 31...Te2 32.Tc7+ Kh6 33.Taa7? [33.Txa3 Lg4 34.Tf7 pariert die Drohung gegen f2.] 33...g5 34.Ta6 Lg6 Plötzlich ist die Stellung nur noch ausgeglichen. 35.Lf3 Txa2 36.h3 Tf6 37.Tca7 Lf7 38.Txa3 Txa3 39.Txa3 Lxc4 40.Ta7 Ld3 41.Td7 Lf5 42.Td8 Kg6 43.g4 Ld3 44.Kg3 Kf7 45.Ld5+ Ke7 46.Tg8 h6 47.Tg7+ Kd8 48.f3 Ke8 Barejew hätte sich einfach ins Remis fügen sollen, das sein Kontrahent sicher akzeptiert hätte. Doch stattdessen spielt der Großmeister unbedacht und ungeachtet seiner wenigen Sekunden auf der Uhr - pro Zug gab es immer fünf weitere Sekunden Bedenkzeit hinzu - gegen den Amateur weiter auf Gewinn. 49.h4 Kf8? [49...gxh4+ ist Pflicht.] 50.Tg8+ Ke7 51.hxg5 hxg5 52.Txg5 Nun steht Pfrommer wieder auf Sieg. 52...Tf8 53.f4 Kf6 54.Th5 Kg7 55.Th2 Te8 56.Tb2 Te1 57.Tb7+ Kh8 58.Td7 Tg1+ 59.Kh4?? Der natürlich anmutende Königszug nach vorne erlaubt Schwarz eine trickreiche Rettung. [59.Kf3 ist der einzige Zug, der die Ambitionen am Leben hält.] 59...Le2?? Vergibt die unerwartete Chance, doch noch eine Punkteteilung zu erzwingen. [59...Txg4+!! 60.Kxg4 Lf5+! 61.Kxf5 führt zum Patt!] 60.Le6 Td1 61.Kg5 Lb5 62.Tb7 Lc6 63.Tc7 Lf3 64.Kg6 Der schwarze Monarch steckt im Mattnetz, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. 64...Le4+ 65.f5 1-0

vorherige Meko    Meko-Übersicht   nächste Meko