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Wolfgang Gerstner: Der Trompovsky-Angriff

Das Eröffnungs-Buch im Test

mehrere Rezensenten, Januar 2001

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Wolfgang Gerstner, Der Trompovsky-Angriff

Schach-Profi-Verlag 1995
205 Seiten; 34,80 DM
ISBN 3-929376-18-0.

 

Rezension von Hartmut Metz

   Wir befinden uns im Jahre 1996 n. Chr. Die ganze Schachwelt ist von dem Gedanken besetzt, der große Tribun Julian Hodgsonix sei der Erfinder - oder zumindest dessen würdigster Vertreter - des Trompovsky-Angriffs ... Die ganze Schachwelt? Nein! Ein von unbeugsamen Caissanern bevölkertes Dorf hört nicht auf, gegen das Eindringen dieses Irrglaubens Widerstand zu leisten.

   Die dortigen Caissaner sind in ihrem kleinen Zirkel, der sich Schachclub nennt und in Rastattium beheimatet ist, der festen und durchaus begründeten Überzeugung, nicht Julian Hodgsonix aus dem fernen Britannien habe als höchste Autorität in Sachen Troubadix-Angriff, j'adoube, Trompovsky-Angriff zu gelten, sondern Wolfgang Gerstnerix, ihr Chef, listigster Krieger und Druide in Personalunion. Jetzt glaubt das kleine, unbeugsame Dorf auch noch, Gerstnerix sei als großer Junge in den Zaubertrank gefallen und nicht zu bezwingen. Dabei schnitt er nur eifrig Varianten, um in seiner Küche ein neues Buch (sein erstes) zu brauen: "Der Trompovsky-Angriff im Damenbauernspiel".

   Ein scharfer Kritiker der Schachbuch-Barden, der die Leser auch schon mit seiner Weise über die Tarrasch-Verteidigung verzückte, Harald Keilhackix, lehnte sich in einem ersten Kommentar weit aus dem Fenster und prognostizierte, das Buch von Gerstnerix habe exzellente Chancen auf die "Goldene Sichel" als bestes Theoriebuch des Jahres! Aber noch ist nicht aller Tage Abend! Im Januar noch etwas gewagt, könnte sich doch Cäsar Garri womöglich entschließen, eine Theoriebibel herauszugeben. Geschieht das nicht, was anzunehmen ist, will er doch seine Kontrahenten aus den feindlichen Lagern am liebsten selbst vertrimmen, genießt Gerstnerix in der Tat die besten Aussichten, die "Goldene Sichel 1996" zu erringen.

  Warum? Zunächst einmal hat der Schach-Profi-Verlag Reinhold Dreierix die Übersicht und das Aussehen seiner Bücher (nimmt man das vorliegende als künftigen Maßstab) stark verbessert. Fester und hübscher Einband, gutes Papier. Viel wichtiger für den ambitionierten Schachspieler sind Qualität der Erläuterungen und übersichtliche Variantenaufbereitung, die die Lust am Durcharbeiten nicht gleich wieder raubt. Letzteres war bei durchaus ansprechenden Büchern von Dreierix leider selten der Fall. Mit dem "Trompovsky-Angriff" hat sich das Gott sei Dank geändert: Genügend Diagramme, Hauptvariante im Fettdruck, wichtige Varianten ebenfalls beim ersten Zug fett (was leichteres Auffinden ermöglicht) und unterstrichene Varianten führen einen leichter zum Ziel, das da heißt += (oder wie auch sonst immer). Beim Teutates, so muß ein Theoriewerk gestaltet sein.

   Prinzipiell hält der Rezensent eine gewisse Spielstärke erforderlich, um als guter Theoriebuch-Autor auftreten zu können. Obwohl selbst mit einer DWZ von knapp über 2350 geführt, hielt ich mich nie für so in den Zaubertrank gefallen, um ein Theoriebuch schreiben zu können. Gerstnerix ist zwar auch "nur" FM und eine Handvoll DWZ beziehungsweise ELO besser, aber zweifellos versteht der zweifache badische Meister wesentlich mehr vom Schach (was ich schon leidvoll in mancher Partie erfahren mußte)! Offen gestanden überraschen mich bei ihm Resultate wie der vordere Mittelfeldplatz bei der deutschen Meisterschaft in Binz - allerdings negativ, weil ich Gerstnerix für einen begnadeten Krieger auf dem Schachbrett halte. Seinen Spitznamen "Der Analysator" trägt er, durchblättert man sein Erstlingswerk, aus nachvollziehbaren Gründen. Lediglich Dr. Robert Hübnerix dürfte in Sachen Analyse ein noch größerer Pedant sein.

    Dem Leser eines Eröffnungsbuches ist Pedanterie natürlich mehr als recht. In diesem Fall erfährt er erstmals umfassend nahezu alles über den Trompovsky-Angriff. Dabei beschränkt sich Gerstnerix nicht nur auf die Auflistung der Varianten im Informator-Stil, sondern erläutert die grundlegenden Ideen trefflich und schließt jeden Abschnitt mit einem Fazit. Zweifellos nützte Gerstnerix seine Erfahrung als Schachlehrer in zahlreichen Klubs. So weiß er nur zu gut, was für Probleme der einfache Schach-Legionär hat und geht automatisch auf diese ein.

  Die negative Kritik an "Der Trompovsky-Angriff im Damenbauernspiel" fällt kurz aus: Angesichts der Übersichtlichkeit des Werks hätte man sich das allerdings nur im Inhaltsverzeichnis herrschende Wirrwarr (das gravierendste Beispiel: Kapitel I.B.2.b.2.y.2) schenken sollen. Daß Gerstnerix meine Lieblingsentgegnung auf 1.d4 Sf6 2.Lg5 c6! nur unter "Seltene Abspiele" sortierte und lediglich auf wenigen Seiten abhandelte, mag ein persönliches Ressentiment begründen, das dem Autor in der nächsten Partie heimgezahlt werden soll ... Anschließend wird jedoch wieder Eintracht herrschen und im Mondschein feiert man wie am Ende eines jeden Asterix-Bandes bei einem Wildschweinessen.

  Fazit: Mit "Der Trompovsky-Angriff im Damenbauernspiel" muß der treue Anhänger dieser durchaus spielbaren Variante nicht länger fürchten, daß ihm schon in der Eröffnung der Himmel auf den Kopf fällt.


Rezension von Stefan Bücker

   FIDE-Meister Wolfgang Gerstner legt eine erstklassige Arbeit zum Thema 1.d4 Sf6 2.Lg5 vor. Der Autor erhellt den (erstaunlich umfangreichen) Stoff durch zahllose eingewobene Erläuterungen und gibt klare Bewertungen der Züge. Nur kleine Schönheitsfehler sind auszumachen: So ist das System benannt nach dem Brasilianer Trompowsky, die Schreibweise mit "v" ist also falsch.


Rezension von der Chess Post

   The publishers expect this book to became a classic in its field and I have to agree with them. The lines are clearly set out and the analysis is copious. The book is jam packed from cover to cover with very little empty space. Naturally, a knowledge of German is needed to get the best out of such a book but Trompovsky fans will want it anyway and won't be disappointed. In my opinion, this book will sell out fairly quickly, so don't wait too long.


Rezension von Harald Keilhack

   Eigentlich bin ich kein Freund großer Worte, doch hier kann ich mich kaum zurückhalten: es ist ein brillantes Erstlingswerk eines noch unverbrauchten Autors; ein Eröffnungsbuch genau so, wie es sein sollte. Die Damenbauernspiele selbst stehen im Ruf einer Altherreneröffnung: pflegeleicht, aber anspruchslos. Gerade hier entfaltet Gerstner seine besondere Stärke: genauestens legt er dar, welche Varianten tatsächlich zu "Flachschach" führen und wie Weiß ehrgeiziger vorgehen kann. Alle Stellungstypen und Pläne werden vorbildlich erklärt sowie fachkundig bewertet, kritische Varianten akribisch analysiert; technische bzw. "langweilig" scheinende Positionen einer genauen Prüfung bzgl. ihres langfristigen Gewinnpotentials unterzogen. Aus seiner Praxis gibt Gerstner gar Tips, welcher Spielertyp welche Varianten wählen sollte, und zwar für beide Seiten. Überhaupt fällt angenehm auf, daß bei Gerstner die Objektivität nie auf der Strecke bleibt. Gerstner hat jede vorliegende Partie einer eigenen kritischen Prüfung unterzogen. Seine analytische Gründlichkeit sollte auch dem anspruchsvollen Fernschachspieler volles Vertrauen einflößen; andererseits finden sich auch reichlich anschauliche Praxisbeispiele aus "niederen" Kategorien. Sowohl der Techniker als auch der Angriffsspieler wird übrigens im Trompovsky-Angriff ein breites Betätigungsfeld finden, so daß auch vom Thema her dieses Buch eine gute Empfehlung darstellt. Jahrelange Forschungsarbeit steckt hinter diesem Buch, welches einen führenden Rang in der Eröffnungsliteratur einnehmen wird!


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