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Mittelspiel für alle Lagen

Edmar Mednis: Praktische Mittelspieltips

von Nadine Busse, Dezember 2003

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Edmar Mednis: Praktische Mittelspieltips

New In Chess
Edition Olms 2000
ISBN 3-283-00381-5; 160 Seiten; 19,95 Euro

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 5 aus 5

 

   Hat man nicht des öfteren starken Angriff und man weiß nicht, wie man ihn weiterführen soll? Oder wer steht mal nicht in einer Stellung auf Gewinn und kann den Punkt doch nicht für sich sichern? Edmar Mednis stellt dieses in seinem dritten und letzten Band seiner Praxis-Tips dar. Er gibt hervorragende Ratschläge für Angriffs- und Verteidigungstechniken und strategische Pläne im Mittelspiel.

   Der amerikanische Großmeister Edmar Mednis ist im Februar 2002 kurz vor Vollendung des 64. Lebensjahrs gestorben. Er veröffentlichte jedoch eine Menge - auch ins Deutsche übersetzter - Bestseller, wie z.B. "Gewinne das Endspiel!", "Wie schlage ich überlegene Gegner?" und viele mehr.

   Dieses Werk, welches für DWZ-Spieler ab ca. 1600/1700 geeignet ist, spezialisiert sich auf das Mittelspiel, doch erhält man in den 33 ausführlich kommentierten Partien aus dem Zeitraum 1974 bis 1997 auch ein Grundwissen an Eröffnungen. Der in Lettland geborene Großmeister lässt seine unmittelbaren Erfahrungen mit einfließen, indem er zwölf eigene Partien präsentiert.

   Das Buch umfasst 160 Seiten und ist in vier Themenblöcke eingeteilt, 1. "Angriff auf den König", 2. "Den König verteidigen", 3. "Das Zentrum" und 4. "Wichtige strategische Grundbegriffe", die noch einmal in insgesamt 23 Kapiteln untergliedert sind. Schon dieser erste Eindruck macht das Buch sehr interessant.

   Der Autor führt vor jedem Kapitel noch eine kleine Besprechung an, damit der Leser das theoretische Hintergrundwissen erfasst. Danach folgen meistens ein oder zwei kommentierte Beispielpartien, an denen das Thema sehr anschaulich verdeutlicht wird.

   Alles in allem gefällt mir das Buch "Praktische Mittelspieltips" sehr gut, da es eigentlich für jede Spielweise geeignet ist; für Leute, die gerne Angriff (oder Gegenangriff) bevorzugen, als auch für Leute, die lieber auf Verteidigung bauen. Es wird zudem das taktische Wissen verbessert, da dieses Thema in komplexen Stellungen, wo es "brennt", von großer Bedeutung ist.

 










Waitzkin,J - Mednis,E [B67]
Western States Open, Reno, 1996
[Edmar Mednis]

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 Wir sehen jetzt so viele Sizilianisch verteidigte Partien und hören soviel Über sie, dass der Eindruck entsteht, es sei immer so gewesen. Tatsache ist, dass sich diese Verteidigung nur allmählich und gegen Widerstände Respekt verschaffte. Erst in den späten 1920-er Jahren erkannte man die versteckten Vorzüge der obigen Zugfolge und der sich ergebenden Stellung. Der Name "Klassische Variante", den John Nunn dieser Zugfolge in seinem hervorragenden Buch "Beating The Sicilian" (Den Sizilianer schlagen) gegeben hat, passt sehr gut zu ihr. In der Frühzeit dieser Verteidigung pflegte der Anziehende 6.Le2 fortzufahren, doch die Nachziehenden wiesen bald eindrucksvolle Ergebnisse mit der Drachenvariante auf, die mit 6. ... g6 (gefolgt von Lg7) eingeleitet wird. 6.Lg5 Weil der "Drachen" zu erfolgreich und dem Weissen unbequem war, wurden Wege aufgespürt, ihn zu umgehen. Der Textzug wurde in Deutschland von Kurt Richter und in Russland von Wsewolod Alfredowitsch Rauser als ein Weg eingeführt, die Drachenvariante zu vermeiden, weil 6. ... g6 7. Lf6: ef6: die schwarze Bauernstellung offensichtlich stark beeinträchtigen würde. Natürlich wissen wir schon lange, dass die mit 2. ... d6 beginnende Zugfolge dem Schwarzen die Drachen-Aufstellung sichert. Gleichwohl ist die Klassische Variante während der letzten 60 Jahre immer ein wichtiges Thema gewesen und der Richter-Rauser-Angriff eine beliebte und energische Methode, sie zu bekämpfen. 6...e6 7.Dd2 a6 8.0-0-0 Ld7 Seit dem Beginn der 1990-er Jahre hat dieser Zug an Beliebtheit eingebüsst. 8. ... h6 rückte in den Vordergrund, gegenwärtig die erste Wahl in den auf internationaler Ebene ausgefochtenen Partien. Der besondere Wert von 8. ... h6 liegt darin, dass Weiss die Fesslung des Springers aufgeben muss; der Läufer muss daher nach f4 oder e3 zurückgehen. Jedoch zahlt Schwarz dafür einen Preis: Nachdem er, wie es meist geschieht, kurz rochiert hat, verfügt Weiss über die Angriffsmarke h6, die es ihm leichter macht, Linien gegen den König zu öffnen. 9.f4 b5 10.Lxf6! gxf6 Damit ist das Bauerngerüst für das kommende Spiel vorgegeben: Weiss wird zum richtigen Zeitpunkt einen der Vorstösse e4-e5 oder f4-f5 ansteuern, um die beeinträchtigte schwarze Bauernformation zu untergraben. Schwarz muss derartige Drohungen ständig im Auge behalten und gleichzeitig auf den richtigen Moment warten, die Stellung zu öffnen, damit die beiden Läufer Arbeit finden. Die Aufgabe von Schwarz ist erheblich waghalsiger; Weiss ist jedoch wegen der sehr unausgewogenen Natur der Stellung auch nicht sorgenfrei. 11.Kb1 Db6 12.Sxc6! Ein sehr umsichtiges Verfahren. Weiss tauscht seinen unbequem stehenden Springer ab. Ein paradoxes Ergebnis ist, dass der schwarze Damenläufer auf c6 keineswegs besser steht; er verstellt die c-Linie und vernachlässigt den Schutz des Punktes e6 für den Fall, dass Weiss diesen Punkt mittels f4-f5 unter Druck setzt. Eine brauchbare Alternative ist 12. Sce2. 12...Lxc6 13.Ld3 b4! Die grosse, mit "trial and error" (durch Ausprobieren) gekennzeichnete wissenschaftliche Methode hat uns gelehrt, dass Schwarz nach Gegenspiel streben müsse, weil sonst die Mängel in seinem Bauerngerüst ein fortwährendes Handikap darstellen. Der frühere Standardzug 13. ... 0-0-0?! reicht einfach nicht aus. 14.Se2 h5! 15.Thf1 a5 16.c3! Dieser Zug dient Angriffs- und Verteidigungszwecken. Dame, Turm und Springer haben jetzt engeren Kontakt zum eigenen König, und die Öffnung der c-Linie bietet Gelegenheiten, den in der Brettmitte festgehaltenen König zu bedrohen. 16...Tb8 17.Sd4 Ld7 18.Lc4 Der hauptsächliche Zweck ist, den Druck auf e6 nach dem kommenden Vorstoss f4-f5 spürbar zu verstärken, und ein zweiter Nutzen zeigt sich im Schutz der Felder b3 und a2. Während der Partie hielt ich den Textzug für verdächtig, weil Schwarz ohne Zeitverlust auf der c-Linie Druck auszuüben vermag; aber ich fand weder in der Partie noch in der späteren Analyse einen Weg, daraus unmittelbar einen Vorteil zu ziehen. 18...Tc8 19.Dd3 bxc3 20.b3 a4 Ein vollkommen thematischer Zug, denn Schwarz muss Linien gegen den weissen König öffnen, bevor Weiss den feindlichen Weg behelligt. 21.Dxc3 axb3 22.axb3 h4?! Ein sehr ehrgeiziger und lediglich auf die eigenen Pläne bezogener Zug: Schwarz sperrt der weissen Dame das Feld g3 und steht bereit, seinen Königsturm über h5 zum Damenflügel zu überführen. Im Nachhinein zeigt sich, dass es sehr naiv war, zu hoffen, König und Läufer könnten den zentralen Durchbruch des Weissen auffangen. 23.f5! Lg7 Besser spät als nie! 24.Dd3 Ke7 25.fxe6 fxe6 26.e5!! Txc4!! [ 26...dxe5? 27.Sf5+ exf5 28.Dxd7+ Kf8 29.Df7# ; 26...fxe5? 27.Dg6! Txc4 28.Dxg7+ Kd8 29.Dxh8+ Kc7 30.Tc1! Txc1+ 31.Txc1+ Kb7 32.Dh7 ; 26...f5? 27.exd6+ Dxd6 28.Sxf5+ ] 27.exd6+ Kf7 28.Dxc4 Tc8! 29.Dd3 Ta8! Damit rüstet Schwarz sich für einen starken Angriff auf der a-Linie mit 30. ... Da5 31. Kb2? brächte den König in eine äusserst lästige Fesselung nach 31. ... f5.Auf jeden Fall stehen die schwarzen Läufer bereit, im geeignetsten Augenblick in den Kampf einzugreifen. 30.Txf6+ Lxf6 31.Dh7+ Kf8 32.Dxd7 [ 32.Tf1?? Ta1+! 33.Kxa1 Dxd4+ 34.Ka2 Db2# ] 32...Lxd4 33.Tf1+ Kg8 34.Dxe6+ Kh8 35.Dh6+ Kg8 36.Dg5+ Lg7 37.Dd5+ Kh7 38.De4+ Kh6! 39.Dxh4+ [ 39.Dxa8 Dxb3+ Gäbe lediglich dem Schwarzen Gewinnchancen.] 39...Kg6 40.De4+ Kh6 1/2-1/2

 

   Ansprechend ist, dass ausreichend Diagramme vorhanden sind, sodass man sich auch ohne Schachbrett in die Stellung gut hinein versetzen kann. Darüber hinaus erhält der Lernwillige sehr viele Informationen, wie man an bestimmte Stellungen herangeht und wie man sich in diesen Stellungen verhält. Besonders instruktiv fand ich, dass wichtige Erkenntnisse, Regeln und Verhaltensweisen fett hervorgehoben sind, wodurch man sofort sieht, dass dies wichtig ist und dass man dies für sein ganzes Schachleben braucht. Ich denke, Spieler zwischen DWZ 1500 und 2000 können durch dieses Buch ihr Schachwissen erweitern.

 

 

Das Rezensionsexemplar stellte die Firma Niggemann (Industriestraße 10, 46359 Heiden) zur Verfügung.


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