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Computer und Schachtraining

Zwei Bücher zum Computer-unterstützten Schachtraining

Rezension von Robert Miklos, Januar 2004

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Jacobs, Emms, Aagaard: Chess Software User's Guide

 

Christian Kongsted: How to Use Computers to improve your Chess

Everyman Chess 2003
ISBN 1-85744-284-9
128 Seiten; etwa 24 Euro
Sprache: Intermediate English

Gambit 2003
ISBN 1-904600-02-6
192 Seiten; etwa 24 Euro
Sprache: Intermediate English

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 2 aus 5

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 3 aus 5

 

   Die Computer haben viele Bereiche revolutioniert, auch das Schach. Es gibt reichlich Schach-Software - das soll aber nicht heißen, das ihre Bedienung einfach wäre, ganz im Gegenteil. Bücher zu dem Thema, wie man Computer im Schachtraining benutzt, gab es bisher kaum, sowas bekam höchstens ein paar Absätze in den klassischen Schach-Lehrbüchern reserviert. Aber endlich ist Rettung in Sicht! Gleich zwei Neuerscheinungen von den zwei englischen Verlagen Everyman Chess und Gambit beschäftigen sich mit diesem modernen Thema

   Die obigen Scans vermitteln leider ein falsches Bild der Größenverhältnisse. Das Gambit-Buch rechts ist von den Abmessungen her ein bisschen kleiner. Da es aber mehr Seiten hat, eine kleinere Schriftgröße verwendet und bis auf Diagramme auf Abbildungen verzichtet, liegt es quantitativ vorne. Beim Verhältnis Text/Autor führt es sowieso: Christian Kongsted (zur Zeit mit einer Elo von 2280 - Ende 2002 hatte er noch eine Wertungszahl von 2221, er steigert sich also; seine Fernschach-Wertung liegt laut Klappentext bei über 2500) lieferte beim Gambit-Verlag die ganze Arbeit, während bei Everyman Chess gleich drei Autoren zusammenarbeiteten: IM Byron Jacobs, GM John Emms und IM Jacob Aagaard. Bei dem Buch des Trios vermisse ich äußerlich nur eine Kleinigkeit: Die Worte "Keine Panik!" in großen, freundlichen Buchstaben irgendwo auf dem Cover.

 

Chess Software User's Guide

   Drei Autoren, ein Buch. Wer hat was geschrieben? Es ist nicht immer sofort ersichtlich, spätestens aus dem Text erschließt sich aber die Aufteilung, ein bisschen mehr Transparenz wäre wünschenswert gewesen: IM Jacobs schreibt die Einleitung und wohl das Schlusskapitel "Special Computer Products", GM Emms "Managing Databases", "Learning a New Opening", "Learning about Yourself ... and your Opponents" und IM Aagaard "Relating Openings to Middlegames and Endgames", "General Training". Die Autoren haben alle bereits beachtenswerte Schachbücher geschrieben, die Texte hier sind immer aus Sicht des jeweiligen Autors geschrieben, wo nötig mit konkreten Beispielen aus der Praxis, schön anschaulich erklärt und mit Screenshots ergänzt. Die Auwahl der Themen deckt die wichtigsten Bereiche ab.

   In der schnelllebigen Computerzeit, mit jährlich erscheinenden neuen Versionen (bei den Programmen und bei den Datenbanken, nicht zu vergessen die Updates für die Programme - und natürlich die Updates für die Datenbanken in Form neuer Partien), ist es besonders wichtig, einen aktuellen Ratgeber zu lesen; alte Informationen sind oft ziemlich wertlos. Wann wurden die Texte geschrieben? Das Buch erschien Ende 2003, das Vorwort ist vom August 2003. Die einzelnen Beiträge sind natürlich ein bisschen älter: Emms (S. 14) benutzt die Mega Database 02 - Ende 2003 ist bereits die Mega04 herausgekommen, die Mega03 war ein Jahr lang da; die meisten Texte scheinen 2002 geschrieben worden zu sein (z.B. auf Seite 27 ist TWIC 421 die aktuellste Ausgabe - erschienen am 2. Dezember 2002).

   Wenig Text, dann auch noch einige Kleinigkeiten: Zumindest eine Linkangabe auf Seite 23 ist mangelhaft (die zwei restlichen sind Klassiker): Eine gute Links-Seite von Schachorganisationen und -vereinen soll die von London Chess Centre (TWIC) sein, dort könne der Leser nach regionalen Partiensammlungen Ausschau halten (sehr hilfreich - dann lieber gleich Google nennen). Dabei dürfte die Sektion für die deutschen Vereine seit mindestens drei Jahren nicht mehr verändert worden sein. Ein Tipp, und keineswegs ein Geheimtipp, die Seite (vor einiger Zeit mit neuer URL) gibt es seit Jahren und passt genau in das Anforderungsprofil: die Seite von Lars Balzer - sogar auf Englisch! Die Autoren sind ja in erster Linie Schachspieler und keine Computer-Spezialisten, deshalb müssen sie nicht alles wissen: Auf Seite 23 behauptet der Autor, dass man mit ChessBase mehrere Datenbanken nicht durchsuchen kann; mit der 8er Version geht es. Laut Seite 13 löscht Fritz die Anmerkungen bei der Post Game Analysis; vielleicht passierte das bei früheren Versionen. Ist das der Fluch veralteter Computerbücher?

   Es mag Zufall sein, aber diese Ungenauigkeiten waren alle bei Emms. Die Texte von Aagaard fand ich persönlich am interessantesten, weil sie ein bisschen (nicht viel) über die Erläuterungen eines reinen Handbuchs hinausreichen und somit auch nicht so schnell veralten. Eine Kleinigkeit habe ich bei ihm aber auch gefunden: Auf Seite 99 präsentiert er die berühmte Partie Aseev - Ivanov, deren interessantester Zug angeblich von Computern nicht gefunden würde. Im Prinzip stimmt es ja auch, Programme geben ungern einfach so einen ganzen Turm her. Ich habe nach einiger Suche aber trotzdem eine Engine gefunden, die nicht nur den Zug selbst findet, sondern auch noch in der Analyse der Stellungen danach mehr sieht als Hiarcs9 und Junior8 (der in diesen Positionen gar keine Hilfe ist): Der neue Deep Fritz8. Die Partie ist in den Mega-Datenbanken von ChessBase kommentiert, immerhin von GM Christopher Lutz, 1997. Aagaard ist an einer entscheidenden Stelle anscheinend präziser.

 










Aseev,K (2530) - Ivanov,S (2515) [D44]
St Petersburg (9), 25.04.1997

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c6 5.Lg5 dxc4 6.e4 b5 7.e5 h6 8.Lh4 g5 9.Sxg5 hxg5 10.Lxg5 Sbd7 11.exf6 Lb7 12.g3 c5 13.d5 Db6 14.Lg2 b4 15.0-0 0-0-0 16.Sa4 Db5 17.a3 exd5 18.axb4 d4 19.Lxb7+ Kxb7 20.Sc3 dxc3 21.Dd5+ Kb6 22.Lf4 Th5 DER Zug der Partie, spektakulär und wohl auch der beste in der Stellung [ 22...a6? verliert: 23.Ta5 Dxb4 24.Txa6+ Kxa6 25.Dc6+?! der Zug von GM Lutz ist nicht so genau ( 25.Ta1+! Kb5 26.Lc7 ! Aagaard: "White has a winning attack" 26...Sb6 27.Dxd8 Dxb2 28.De8+ Kb4 29.Ta6 Sd7 30.De4 Kb3 31.Lf4+- ) 25...Sb6 26.Ta1+ Da5 27.Txa5+ Kxa5 28.Lc7 Deep Fritz 8 sieht hier nur Remis nach halbstündiger Überlegung 22...cxb2? 23.Ta5 Dxb4 24.Lc7+ geht auch nicht] 23.Dxh5 cxb2 24.Tad1 cxb4 25.Lc7+ Kc6 26.Dxb5+ Kxb5 27.Lxd8 c3 28.Txd7 a5 29.Td5+ Kc4 30.Txa5 c2 31.Le7 b1D 32.Lxf8 Dxf1+ 33.Kxf1 c1D+ 34.Kg2 Db1 35.Ta4 De4+ 36.Kg1 De1+ 37.Kg2 De4+ 1/2-1/2


   Ansonsten sind mir noch zwei Kleinigkeiten aufgefallen: Am Anfang wird in der Bibliografie die Schreibweise "Chessbase" und "ChessBase" gemischt präsentiert. Gravierender ist der Fehler am Ende des Buches, bei den allerletzten Screenshots sind die Bilder und die Unterschriften dazu durcheinander. Da diese aber sowieso keine große funktionelle Rolle haben, sondern eher nur den Text auflockern sollen, ist das nicht so schlimm - oder eben deswegen doch.

   Tipps zum Benutzen von ChessBase-Programmen gibt es kostenlos (und aktueller!) im Internet, z.B. bei ChessBase oder ChessCafe, auf der Seite des SC Leinzell und unregelmäßig in Computerschach-Foren. In den regelmäßig erscheinenden ChessBase-Magazinen und in der F1-Hilfe der jeweiligen Programme gibt es auch noch einige Erläuterungen. Das Zielpublikum des zu teuer geratenen Buches sind eindeutig die Anfänger in beiden Bereichen Schach und Computerschach, mit einer Beschränkung auf ChessBase-Produkte. Nach dem Lesen des Buches ist man aber durchaus mit allen Grundlagen gerüstet.

 

How to Use Computers to Improve Your Chess

   Das Buch des Gambit-Verlages konzentriert sich auf die Partien Mensch gegen Computer, und damit zusammenhängend auf das Verständnis der Schwächen der Schachprogramme und die Feinheiten der Computer-unterstützten Analyse; der Rest wird ein bisschen zu kurz behandelt, das sind die Kapitel "Hardware, Software and Databases", "Improving Your Opening Play", "Improve your Tactics", "Improve Your Endgame Technique", "Playing Chess on the Internet", "Computer Chess in the Future". Vor allem für Fernschachspieler (der Autor ist ja auch einer) dürfte es somit interessant sein - es sei denn, diese kennen sich mit dem Thema aus, denn neue Erkenntnisse gibt es nicht, nur altbekanntes Wissen - dieses aber gut oder sogar sehr gut erklärt.

   Kongsted wendet sich an Fortgeschrittene im Schach mit Computerkenntnissen (es gibt keine Screenshots, die Hinweise beziehen sich größtenteils auf die ChessBase-Produkte, mit dem Hinweis, dass es bei der Konkurrenz, die auch vorgestellt wird, ähnlich läuft), somit sei ein bisschen mehr Strenge bei seinen Aussagen gestattet. Bei der Vorstellung der Arbeitsweise von Schachprogrammen beschränkt er sich auf die ganz traditionelle Programmierung, darüber wurden zig Bücher und Artikel geschrieben. Die auffälligste Ungenauigkeit ist die Formel auf Seite 114, die von ChessBase früher (vor etwa 5 Jahren!) für die Größe der Hashtables angegeben wurde - diese wird im Buch auch noch ausführlich erörtert. Dabei galt diese Formel nur für frühere Versionen von Fritz&Co, in den letzten Jahren haben die Programme (zumindest die meisten von ChessBase) ihr Verhalten geändert und löschen die Hashtables nicht nach jedem Zug, so dass die Transpositionstabellen, außer vielleicht im Blitzen, gerne sehr groß sein dürfen. Immerhin ist der erklärende Text doch nicht ganz nutzlos, er erwähnt, dass die Größe der Hashtables in Megabytes am besten eine Zweier-Potenz sein sollte (hoffentlich stimmt das noch) und dass dem Abhorchen der Festplatten-Zugriffe bei der Feinjustierung eine wichtige Rolle zukommt.

   Der Autor verweist öfter mal auf die Linkliste am Ende des Buches. Diese ist aber mager, sie enthält größtenteils die üblichen Klassiker wie ChessBase, TWIC und ChessAssistant. Ist ChessCafe eine News-Seite? Die anderen Angaben sind teilweise lieblos recherchiert: Bei der Rubrik Rezensionen gibt es eine einzige Seite, die früher und auch heute nicht besonders viel bietet. Eine der wenigen Rezensionen behandelt - Kongsteds Buch. Andererseits, wo sind die Seiten mit Rezensionen von Schachprogrammen in englischer Sprache? Auf Deutsch gibt es ja die Seite des SC Leinzell, die auch viele Tipps anbietet.

   Zum Thema Taktiktraining und Endspieltraining bietet Kongsted nicht viel, ein paar allgemeine Tipps und 11 bzw. 17 Teststellungen, die man gegen den Computer spielen soll - das ergibt 30 Seiten, die schnell nutzlos werden. Dieses Konzept wurde von Schlössner auf einer ChessBase-CD (Rezension dazu) interaktiv und für den Nutzer bequemer umgesetzt.

   Das Buch bietet auch einige Highlights: Vor allem die Darstellung der Schwächen der Computer in Kapitel 3 ist gelungen. Das Thema genießt ja eine große Beliebtheit, in Internetforen wird gerne darüber diskutiert, vor allem in früheren Ausgaben von Computerschach- Zeitschriften (Computerschach&Spiele) kamen immer wieder mal Beispiele dazu. Kongsted benutzt aktuelle Beispiele und erklärt alles sehr gut. Kapitel 6 über "Computer-Assisted Analysis" fand ich auch sehr gut erklärt. Der Autor weist auch immer wieder darauf hin, den Schach-Programmen nicht zu sehr zu glauben - das empfehlen die Autoren von "Chess Software User's Guide" auch, nach der Lektüre des Kongsted-Buches weiß man aber besser, wieso es so ist.

   Es ist nicht unüblich, dass bei (Computer)Büchern eine Homepage zum Buch erstellt wird, die Computerbranche ist schnelllebig, die Links und viele Angaben zu den Programmen schnell veraltet - Fehlanzeige bei beiden Büchern. Ich persönlich finde es erstaunlich, dass zu so einem Thema nicht mehr Material zusammenkam, der veraltete (von 1995) Klassiker "Schach am PC" von Steinwender und Friedel hatte z.B. 500 Seiten. Beide Verlage haben eine gute Gelegenheit verpasst, schließlich benutzen viele der Schachspieler Computer und Internet, der Markt ist also mit Sicherheit da.

 

 

die Rezensionsexemplare stellte die Firma Niggemann (Industriestraße 10, 46359 Heiden) zur Verfügung


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