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Das dreizehnte Gebot

Simultan gegen Garri Kasparow

von Robert Miklos, Juni 2000

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Kasparow-Simultan Frankfurt 2000

Der typische Zug im "modernen Skandinavier": 4...c6
Robert Miklos (rechts) scheint hier zuversichtlicher als Kasparow

   Schon vor der Partie bemerkte ich, dass ich gegen Kasparow nicht den Hauch einer Chance hatte. Ausgerechnet hatte ich mir sowieso nichts, aber ein bisschen Träumen ist wohl noch erlaubt. Die Begegnung gegen den 13. Weltmeister, der am 13. April geboren wurde und auch sonst die 13 als seine persönliche Glückszahl betrachtet, fand am 13. Brett statt!

 

Kasparow-Simultan Frankfurt 2000

Im Hintergrund überlegt Robert Miklos an seinem nächsten Zug,
vorne der Organisator der FCC: Hans-Walter Schmitt

 

   Außerdem durfte ich ja gar nicht gewinnen! Man stelle sich das bloß vor: Der überaus ehrgeizige und auch nachtragende Kasparow müsste nachher jeden Tag seinen Bezwinger, der bei den Frankfurt Chess Classic 2000 als Helferlein der Presse und des Bulletinteams rumschwirrte, sehen. Und vielleicht noch im Spielerhotel Dorint. Undenkbar! Erschwerend kam noch dazu, dass ich im Gewinnfalle täglich zum Essen eingeladen gewesen wäre. Von den übermütigen Hartmut Metz und Harald Fietz, die mir das sofort am ersten Tag angeboten hatten. Dass sie sich nach meinem ziemlich erfolgreichen Abschneiden im Ordix Open gar nicht mehr so wohl dabei fühlten, war ihnen leicht anzumerken, immerhin hätte das ganz kostspielig für sie werden können, bei der Vielfalt an exquisiten Restaurants, die es in Frankfurt und Umgebung gibt.

 

Kasparow-Simultan Frankfurt 2000

Alle schauen Robert Miklos beim Ziehen zu, sogar Kasparow!

 

   Sogar noch während der Partie versuchten die Halunken, mich abzulenken, z.B. indem sie zig Fotos von mir schossen, vor allem dann, wenn Kasparow an meinem Brett erschien, vielleicht in der Hoffnung, ich würde den weltbesten Zug nicht mitbekommen oder vergessen, meinen mehr oder eher minder gut ausgetüftelten Zug zu machen. Dieser Verdacht keimte bei mir übrigens beim Durchschauen der vielen, ausnahmsweise weniger gelungenen Fotos auf - Hauptsache geblitzt und abgelenkt.

   Nicht unerwähnt sollte allerdings bleiben, dass ich ohne diese zwei beim Kasparow-Simultan und auch bei den sonstigen Veranstaltungen der Frankfurt Chess Classic 2000 gar nicht dabei hätte sein können. Die beiden brauchten nämlich noch einen Helfer und dachten da an den WM, den Webmaster der Rochade Kuppenheim.

   Doch im Duell der beiden selbst ernannten WM konnte nur der gewinnen, dem die Zahl 13 schon immer zugelächelt hat:









Stellung nach:

Kasparow (2851) - Miklos (1885) [B01]
Simultan Frankfurt, 19.06.2000

1.e4 Glück gehabt! Ich hatte mir in den Wochen vorher schon überlegt, was ich ziehen würde, wenn so eklige Züge wie 1.d4 oder sogar 1.c4 aufs Brett kämen. 1...d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Da5 4.d4 c6 5.Ld2 Sf6 6.Ld3 Lg4 7.f3 Lh5 8.Sge2 Sbd7 9.Sf4 Langsam wurde mir das Gegenüber von der Dame auf a5 und dem Läufer auf d2 unheimlich. 9...Dc7 10.Sxh5 Sxh5 11.g3 e6 12.De2 Le7 13.0-0-0 Und, was spielt man gegen den 13. Weltmeister am 13. Brett im 13. Zug? 13...0-0-0? Einen kooperativen Zug natürlich. Als Kasparow diesen Zug sah, überlegte er das erste Mal ein bisschen länger an meinem Brett. Er stützte sich sogar mal kurz mit seinen stark behaarten Armen auf dem Tisch ab, dann schaute er mich prüfend an und preschte seinen d-Bauern nach vorne. [13...Shf6 14.The1 0-0-0 wäre sicherlich besser gewesen.] 14.d5 Der typische Zug, wenn Schwarz zu lange rumgetrödelt hat. Ich beschloss, das Spiel ein bisschen zu komplizieren. 14...Lf6 [zu einer "einfachen", aber schlechten Stellung hätte geführt: 14...cxd5 15.Sxd5 exd5 16.Dxe7 Se5 17.Lf5+ Kb8 18.Dxc7+ Kxc7 19.Lc3 und Weiß steht klar besser.] 15.dxe6 Sc5 16.Lc4 [ich hatte eher 16.Lf5 befürchtet.] 16...The8 17.f4 g6 18.f5 Sg7? [besser wäre 18...fxe6 19.fxe6 Sg7 gewesen, so wird es langsam unhaltbar.] 19.Le3 Lxc3 20.Lxc5 Da5? nochmals ein Fehler, Lf6 sieht aber auch schon hässlich aus. 21.Txd8+ Txd8 22.e7 Ld2+ 23.Kb1 Te8 24.Lxf7 und hier hätte ich ruhigen Gewissens aufgeben können. 24...Dxc5 25.Lxe8 Lg5 26.Te1 überraschend, Weiß kann sich aber so ziemlich jeden Zug leisten. 26...Sxe8 27.fxg6 hxg6 28.De6+ Kc7 29.Dxg6 Df2 30.De4 Lf6 31.a3 Db6 Gegen den besten Spieler der Welt ein einzügiges Matt gedroht! Ich fing an, kleinere Brötchen zu backen ... 32.Df4+ Kc8 33.b4 a5? im Grunde genommen ein Fehler, ich wollte aber die Damen getauscht haben, Kasparow tauchte in immer kürzeren Intervallen an meinem Brett auf ... Dc7 wäre zu probieren gewesen. 34.Df5+ Kc7 35.Dxa5 Dxa5 36.bxa5 Dieses Endspiel ist allerdings kaputt, die schwarzen Leichtfiguren haben keine Stützpunkte, Weiß hat zwei schöne verbundene Freibauern. Interessant ist das nun folgende meinerseits planlose Rumgeschiebe kaum. 36...Kd7 37.Te3 Sd6 38.h4 Lxe7 39.h5 Sc4 40.Td3+ Ke6 41.h6 Lf6 42.h7 Sd6 43.Tb3 Se4 44.Txb7 Sc3+ 45.Kc1 Lg5+ 46.Kb2 Sa4+ 47.Kb3 Sc5+ Immerhin hatte ich es geschafft, dem weltbesten Spieler eine Springergabel zu bieten! Aber um welchen Preis. 48.Ka2 und für mich 5-4 gewonnen! Allerdings nur nach Schachs. 1-0

 

   Bis heute habe ich es nicht erfahren, und unerklärt wird es wohl auch bleiben: Nach der Aufgabe stellte ich die Figuren wieder auf. Kasparow kam auf seiner nächsten Runde wieder vorbei und sagte en passant etwas. Leider nicht verstanden; vielleicht war es das dreizehnte Gebot: "Du sollst nicht gegen Kasparow gewinnen!".

Mehr zu den Frankfurt Chess Classic gibt es in der Rubrik Figo.


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