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Matthias Burkhalters Buchrezensionen November/Dezember 2001

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Bauern auf der falschen Grundlinie

 

Berkovich Felix: Jewish Chess Masters on Stamps with chess game annotations by Nathan Divinsky.
McFarland & Company, Jefferson 2000, Hardback 136 S. und 32 S. Farbtafeln, $ 40.-

 

Ein sehr interessantes Buch und gut recherchiert. Da sammelt doch irgend so ein Amerikaner Briefmarken und zwar nur übers Schach und erst noch solche mit und über Juden. Das ist gewiss recht sonderbar. Seine Recherche ist nicht wissenschaftlich, wie er im Vorwort betont, auch soll sie wohl nicht komplett sein, doch ich vermute, dass er sich ganz schön reingehängt hat und fast alles erwischt hat, was es da gibt, inklusive Anekdoten und dubioser Stories. Nicht ganz so einfach scheint es zu sein, die Juden zu definieren, gibt es doch solche, die den Glauben leben, ihn erben oder bloss ein Elternteil jüdischer Herkunft haben, so wie offenbar auch Bobby Fischer. Als garantiert echte jüdische Meister gelten gemäss Berkovich die Weltmeister Steinitz, Lasker, Botwinnik, Tal und Kasparow sowie Meister wie Löwenthal, Rubinstein, Nimzowitsch, Reti, Flohr, Najdorf, Reshevsky, Bronstein und die Polgarschwestern.

Den Philatelierekord hält Kasparow. Er ist auf 41 Marken und Schachbriefen abgebildet. Seine jüdische Herkunft wird mit einer Schachklubregistration belegt: "Weinstein, Garri Kimovich, männlich, geboren April 13., 1963, Jude, Schule 151". Unzweifelhaft ist, dass Garris Vater Jude war, ob der ehemalige Weltmeister jedoch dieses väterliche Glaubensbekenntnis übernommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Botwinnik scheint das aufstrebende Schachtalent bzw. seine Mutter zu einem Namenswechsel bewogen zu haben (S. 38). Auch über Botwinniks Glaubensbekenntnis ist eigentlich nicht viel bekannt. Bei den älteren sowjetischen Grossmeistern scheint dies ziemlich im Hintergrund geblieben zu sein.

Sehr verdienstvoll ist es, dass Berkovich sämtliche Partien eruiert hat, die auf Marken abgebildet sind, und da fängt das Staunen und der Spass dann an: selbst auf polnischen und jugoslawischen Marken fehlen Figuren, sind sie falsch plaziert, haben sie die falsche Farbe. Auf einer Marke aus Guinea wird der Schachweltmeister wohl mit dem ersten Astronauten verwechselt und mit Youri benannt, Gagarin lässt grüssen. Den Vogel schiesst jedoch ein Block aus Kongo ab, dessen Motiv von St. Vincent übernommen wurde, denn ein weisser Bauer auf c1 und ein schwarzer auf f1 sind wohl sehr dekorativ, doch kann Schwarz nicht einmal umwandeln, da er dazu noch im Schach steht.

Kurz und gut, das Buch hat mir gut gefallen und Berkovich hat eine tolle Arbeit geleistet. Israel ist übrigens auch noch ein ganzes Kapitel gewidmet. Die Araber, die doch auch was mit der Schachentwicklung zu tun hatten, finden aber keinen Platz (im Buch).

 

New in Chess Yearbook 60.
Softback 235 S., Alkmaar 2001; ebenfalls auf CD. Je EUR 21.-

 

Vor fast zwanzig Jahren erschien 1984 das erste New In Chess Halbjahrbuch. Die holländischen Verleger hatten ein eigenes Klassifikationssystem für Schacheröffnungen kreiert und in einem Schlüsselbuch veröffentlicht. Ärgerlich dabei, dass die Informator-Klassifikation nicht identisch ist. Das Ziel von NIC war, mit sehr kompetenten Autoren - Karpow, Kasparow, Timman, Kortschnoi und anderen - einen vertieften Einblick in die Entwicklung der Schachtheorie zu geben. Gleichzeitig bilden die NIC-Bände natürlich einen grossartigen Querschnitt hochkarätiger Partien. Die vorliegende 60. Ausgabe unterscheidet sich von der Erstausgabe nicht wesentlich, es sind bloss einige Gadgets hinzugekommen, so vor allem das Einführungskapitel zu jeder besprochenen Variante, das eine Computer-Statistik über den Erfolg des Systems anbietet, die uns Patzern (nein, nicht Sie!) allerdings wenig nützt. Nummer 60 bringt nebst 37 Eröffnungsvariationen auch Zusätze wie Bücherübersicht, Register und einiges mehr. Wer also z.B. im Sizilianer die Vierspringervariante 6.Sc6 spielt, findet nach einer Einführung zwei Stammpartien Kasparow-Grischuk und Shirow-Kramnik, daneben aber auch Studienmaterial mit weiteren 22 Grossmeisterpartien. Ganz gut, ganz toll und wer schon nur die Partien nachspielt, hat mächtig Spass. Die Kommentare sind allerdings alle bloss auf Symbole reduziert, so dass jedermann sie versteht oder dann eben auch nicht. Die Übersetzung ist verdienstvollerweise am Schluss zu finden. Für Spieler, die ihre Eröffnung verbessern oder eine ganze Menge schöner Partien nachspielen wollen, empfehlenswert. Ältere Jahrgänge sind jederzeit beim Schreiber dieser Zeilen bestellbar und zwar günstig.

 

Immer noch nicht eingetroffen ist leider der zweite Band der Kortschnoi-Trilogie, der doch für diesen Herbst angesagt worden war.


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