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Matthias Burkhalters Buchrezensionen August 2002

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Hohe Zeit der Verbandsgeschichten

 

Das organisierte Schach kommt in die Jahre. Jubiläumsschriften erscheinen in erfreulicher Zahl. Hier nun der versprochene Hinweis auf eine enorme Fleissleistung eines deutschen Schachenthusiasten.

 

Gerhard Willeke: Geschichte des deutschen Arbeiterschach. Kart.
343 S., Nightrider Unlimited, Treuenhagen 2002, 13 Euro

 

350 Seiten in kleiner Schrift eng bedruckt. Es ist fast unglaublich, was Gerhard Willeke, 1929 als Arbeitersohn im "roten" Hannover-Linden geboren, zusammengetragen hat. Leider ist er am 1. Oktober 2001 kurz vor der Fertigstellung an einer Routineoperation gestorben. Heidi und Arndt Willeke, die Gattin und der Sohn des Autors, sowie Godehard Murkisch als Verleger haben in vierdienstvoller Art den Band doch noch herausgebracht.

Das deutsche Arbeiterschach wird in den gängigen Publikationen des Deutschen Schachbundes nach wie vor verschwiegen oder bloss am Rande behandelt. Dies erstaunt, denn zu seiner Blütezeit hatte der Deutsche Arbeiter-Schachbund über 11 000 Mitglieder und überflügelte den Deutschen Schachbund bei weitem. Man vergleiche dazu den Exkurs des Problemschachfreundes und Verlegers Murkisch auf den Seiten 202 folgende. Er ist nota bene ganz erstaunt, dass es immer noch Vereine wie z.B. den Arbeiterschachverein Gurten in Bern gibt, die die ehemalige Tradition im Namen weiterleben lassen. Zu meiner Freude ist eine der 16 wiedergegebenen Problemaufgaben von Heinz Gfeller, der ja unser Kunstschachschaffen in der Schweiz nach wie vor stark befruchtet.

Erfreulicherweise wird auch auf das Wirken von Heinrich Diggelmann hingewiesen. Dieser Zürcher Schachspieler hatte seinerzeit den Schweizerischen Arbeiter-Schachbund aus der Taufe gehoben und war auch dessen erster Präsident.

Die Stärke des Buches ist sicher der ausserordentliche Umfang und die zahlreichen Quellen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Engagement des Autors und dessen Hingabe ans Arbeiterschach lassen sich aus jeder Zeile herauslesen. Die Schwäche liegt sicher darin, dass eben sehr lange und viele Passagen zitiert werden und der Kommentar und die Überleitungen manchmal etwas sehr in den Hintergrund treten. Auch die einleitenden Kommentare zur Arbeiterbewegung sind extrem verkürzt. Zudem fehlt eine umgehende Einarbeitung ins europäische Arbeiterschach und insbesondere die dubiose Rolle der russischen Schachbewegung. Die Aufarbeitung der gesamteuropäischen Geschichte des Arbeiterschachs harrt immer noch des Forschers, der diese Riesenarbeit auf sich nimmt.

PS: Der Nightrider Verlag ist übrigens eine sehr anerkennenswerte Unternehmung. Er verfolgt keine kommerziellen Zwecke und lebt ganz wesentlich vom Einsatz der Herausgeber, die Bücher in Kleinstauflagen für einen eng eingegrenzten Leserkreis herausbringen. Fast alles sind Problemschachbücher. Ein Blick auf die Homepage www.nightrider-unlimited.de lohnt sich alleweil!

PPS: Ich suche für meine Sammlung alle vier erschienen Hefte von Promadas, des Problemmagazins der Problemvereinigung im Deutschen Arbeiter-Schachbund von 1928. Das ist eine antiquarische Rarität. Zudem fehlen mir fast alle Hefte von "Frei Schach" der Zeitschrift der kommunistischen Arbeiterschächer, die sich vom DASB abgespalten hatten.

 

Da ich schon bei den Verbandsgeschichten bin, folgt ein Hinweis auf ein noch exklusiveres Produkt, das wohl wenige Schweizer Schachspieler verstehen werden: Pekka Palamaa: Suomen Keskusshakkiliiton historiiki: Perustamisesta vuoden 2000 loppuun, Suomen Shakkikustannus Oy, Helsinki 2002, 350 Seiten A4, 35 Euro. - Dies ist die Geschichte des Finnischen Zentralschachbundes, die auch einen Hinweis aufs Arbeiterschach enthält, führen doch noch heute beide Schachverbände eigene Meisterschaften durch. Rund 3000 Spieler werden erwähnt, daneben hat es 160 Fotos und zahlreiches Zahlenmaterial. Auflage: nur 300 Stück!


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