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Selber schwitzen oder kiebitzen ...

Organisatoren der Schacholympiade in Calvià stellen beim ZMD-Open ihren Festivalgedanken vor; Dresden erhält gute Noten von FIDE-Inspekteur

Text und Fotos von Harald Fietz, August 2004

mehr Schachtexte von Harald Fietz

 

   "Entdecken Sie Calvià, wo es alles gibt," titelt der deutschsprachige Hochglanzprospekt, der für das Rahmenprogramm während und nach der Schacholympiade wirbt. Vom 14. bis 31. Oktober kehrt der Nationenwettbewerb mit seiner 36. Austragung erstmals an eine der Wiegen des Schachsports zurück. "Bei uns in Spanien emanzipierte sich die Dame vor 500 Jahren von einem schwachen Stein zur mächtigsten Figur auf dem Brett," weist der Hauptorganisator Antonio Rami Alos stolz auf die Ursprünge der modernen Spielweise hin. Mit seinem Team ist der Generaldirektor von der Regierung des Landkreises Calvià zum Olympiaanwärter Dresden gekommen, um während des ZMD-Open für das gerade bei deutschen Touristen beliebte Mittelmeerziel zu werben. Die Olympiade als Event der Schachelite soll einhergehen mit vielfältigen Veranstaltungen für das Schachvolk. In Zukunft ist geplant, die Region um Calvià in der zweiten Oktoberhälfte zu einem festen Standort im internationalen Schachkalender zu etablieren. Zu diesem Zeitraum ist die größte Baleareninsel klimatisch am reizvollsten: Vergnügen und Entspannung können perfekt mit Kiebitzen und eigenem Denksport in Einklang gebracht werden.

 

Schacholympiade 2004: Dirk Jordan,  Antonio Rami Alos

Hauptorganisator Antonio Rami Alos (rechts) berichtete über das vielfältige Rahmenprogramm während der Schacholympiade, während Dr. Dirk Jordan (links) das ZMD-Open als Forum zur Verfügung stellte.

 

   Der deutsche Schachfan ist in einer besonders günstigen Position: Alle großen Flughäfen bieten mehrmals am Tag Flüge auf die Sonneninsel; wer rechtzeitig bucht, kann über sein Reisebüro oder das Internet Schnäppchen zwischen 50 und 150 Euro pro Flugstrecke ergattern. Austragungsort der Olympiade im südwestlich von der Hauptstadt Palma de Mallorca gelegenen Gebiet von Calvià ist das "Gran Casino Mallorca", ein Freizeitzentrum zwei Kilometer von dem Touristenzentrum Magaluf entfernt. Es ist allerdings anzumerken, dass diese "britische Hochburg" kaum von deutschen Reiseveranstaltern angeboten wird. Es empfiehlt sich deshalb, auf der Internetseite die günstigen Hotelarrangements der Veranstalter zu nutzen. Für Vollpension, Busshuttle im 30-Minutentakt zum Austragungsort und Eintritt zum Wettbewerb reichen die Preise für Drei- bis Vier-Sterne-Unterkünfte von 35 bis 43 Euro im Doppelzimmer bzw. 42 bis 53 Euro im Einzelzimmer (diese Angaben beziehen sich allerdings auf die bis Ende Juli gültigen Frühbuchertarife).

 

Olympia-Maskottchen Peonin

Das Olympia-Maskottchen "Peonín" sorgt als wirbelnder Bauer immer für gute Laune.

 

   Die Spanier haben generell knapp kalkuliert: "Unser Budget beträgt nur 3,5 Millionen Euro", unterstreicht Rami Alos. Dafür wollen sie Schachenthusiasten den königlichen Sport nonstop bieten: Am Morgen Blitzturniere, am Nachmittag Zuschauen bei den Cracks und am Abend erneut das eigene Turnier. Folgende Veranstaltungen sind bei der "Fiesta ohne Siesta" angekündigt - wobei berücksichtigt werden muss, dass die Preisgelder nach dem in Europa eher unüblichen Prinzip "der Gewinner bekommt fast alles" zugeschnitten wurden:

 

13. bis 28. Oktober: 16 Blitzturniere, Zeitplan: 9.30 - 13.30 Uhr, 10 Euro Startgeld pro Turnier oder 60 Euro für alle 16 Turnier, Einschreibungsformulare auf der Internetseite, Preise: 1 Pl. 300 Euro, 2. bis 8. Pl. jeweils 50 Euro.

12. bis 20. Oktober: Internationales Seniorenturnier (über 55 Jahre), Zeitplan: 20.30 - 0.30 Uhr (zwei Stunden pro Spieler), 60 Euro Startgeld, Registrierung bis 24. September, Preise: 1. Pl. 4000 Euro, 2. und 3. Pl. 500 Euro, zwei Preise à 100 Euro und fünf Preise à 50 Euro.

21. bis 29. Oktober: Internationales Amateurturnier (neun Runden Schweizer System - zwei Stunden pro Spieler), zwei Gruppen (A: kein Elo und nationale Wertungszahl unter 2000; B: Elo zwischen 2000 und 2300), Zeitplan: 20.30 - 0.30 Uhr , 60 Euro Startgeld, Registrierung bis 4. Oktober, Preise: Gruppe A 1. Pl. 6000 Euro, 2. Pl. 1500 Euro, 3. Pl. 1000 Euro, zwei Preise à 500 Euro, fünf Preise à 250 Euro, zehn Preise à 150 Euro, zehn Preise à 100 Euro, 20 Preise à 60 Euro und 50 Preise à 50 Euro; Gruppe B: 1. Pl. 4500 Euro, 2. Pl. 1500 Euro, 3. Preis 1000 Euro, zwei Preise à 500 Euro, fünf Preise à 250 Euro, jeweils zehn Preise à 150, 100, 60 und 50 Euro.

 

   Diese drei Veranstaltungen finden im Hotel Antillas in Magaluf statt. Unmittelbar nach der Olympiade gibt es ein internationales Open am Spielort des Nationenwettbewerbs, dem Gran Casino de Mallorca, zu dem sicher etliche Olympioniken dableiben werden:

1. bis 9. November: 1. Calvià Open (neun Runden Schweizer System, zwei Stunden für 40 Züge plus 30 Minuten Restbedenkzeit), Zeitplan: 16.00 bis 22.00 Uhr, Registrierung bis 15. Oktober, 60 Euro Startgeld, Preise: 1. Pl. 6000 Euro, 2. Pl. 1500 Euro, 3. bis 5. Pl. jeweils 1000 Euro, jeweils zehn Geldpreise zu 100, 60, und 50 Euro.

 

   Für alle Wettbewerbe wird eine frühzeitige Anmeldung empfohlen. Weitere Details gibt es im Internet unter www.36chessolympiad.com, per eMail unter 36chessolympiad@meliviajes.com, Tel. unter +34.91.567.41.68 oder per Fax unter +34.91.571.58.03. Daneben ist eine "Kulturolympiade" rund um das Schach geplant mit einer Schulschachkonferenz, Skulpturen-, Karikaturen- und Philatelie-Ausstellungen sowie einem Filmprogramm.

 

Schacholympiade 2004: Antonio Rami Alos, Dirk Jordan

Die einen haben sie, die anderen wollen sie: die Schacholympiade ... Antonio Rami Alos (links) wünscht der Dresdner Bewerbung mit Dirk Jordan alles Gute.

 

   Ein ähnlich reichhaltiges Festival möchte Dresden im Jahre 2008 bieten. Dazu weilte Mitte Juli - in den Tagen vor dem ZMD-Open - der israelische FIDE-Abgeordnete Israel Gelfer zur Inspektion in der Elbmetropole (zeitgleich wurde die Infrastruktur des Mitbewerbers Tallinn begutachtet). Im Wesentlichen ging es um die technische Ausstattung. In allen Bereichen entspricht die 6,5-Millionen-Euro-Bewerbung der Sachsen einem hohen Standard: das neue, Anfang Mai 2004 eröffnete Kongresszentrum mit modernster Technik und ausreichender Kapazität (u.a. Säle variabel unterteilbar für insgesamt bis zu 4.150 Personen und Restaurant für bis 650 Personen) liegt direkt an der Elbe in fußläufiger Entfernung zur berühmten Semperoper und dem gesamten Altstadtensemble, alle Teams können in Vier-Sterne-Unterkünften einquartiert werden und Flughafen- bzw. Bahnanbindungen sind günstig. Zudem wuchert Dresden mit zwei Argumenten, die dieser geschichtsbeladenen, mittelgroßen Stadt eigen sind. Gelfer machte keinen Hehl aus seiner wohlwollenden Haltung bei den weichen Standortfaktoren: "Der beste Indikator für die Schönheit einer Stadt ist meine Frau. Wir haben viele Städte der Welt gesehen, aber selten war sie so begeistert." Neben Flair und Architektur kommt 478.000-Einwohner-Stadt beim lokalpolitischen Stellenwert für das Schachmegaevent gut weg: "In Berlin würde so ein Ereignis vielleicht im Trubel untergehen, in Dresden wird es die Menschen 18 Tage lang bewegen", glaubt Gelfer. Sicher trifft letztere Einschätzung auch auf Tallinn zu - der Europäische Chanson-Wettbewerb 2003 hat da manche Westeuropäer angenehm überrascht. Mit dem Geschmack an einem weiteren medialen Großereignis werden sich die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft in der estnischen Hauptstadt gewiss ordentlich ins Zeug legen - zumal mit ihrer Schachpräsidentin, dem Fotomodel Carmen Kass, als Frontfrau und Türöffnerin. Die Herren in Dresden müssen auf der Hut sein, denn Delegierte entscheiden - gerade bei der FIDE - nicht immer rational ...

 

 

(erschien zuerst in Schachmagazin 64, Nr. 15 / 2004; S. 412)


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