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Das Partieformular gerettet!

Auf den Spuren von falschen Gegnern und Morphy in Schwäbisch Gmünd

von FM Hartmut Metz, 23. Januar 2008

 

"Ich frage bei großen Open meinen Gegner immer vor der Partie nach dem Namen, um Verwechslungen auszuschließen", erzählte mein alter Karlsruher Kumpel Christoph Pfrommer während eines Abendessens beim Griechen in Schwäbisch Gmünd. Ich dachte mir meinen Teil (wie wohl auch die anderen um den Tisch versammelten badischen Cracks): Wer ist denn so blöd und setzt sich an ein falsches Brett? Sicher, ich hatte 1996 beim Open "1000 Jahre Wien" gegen einen Gegner zweimal gespielt, weil der sich beim ersten Duell an mein Brett gesetzt hatte. Das war verwaist, weil der richtige Kontrahent Rene Wukits nicht an diesem Tag kam und "mein" tatsächlicher Gegner das nächstbeste freie Brett in Beschlag genommen hatte (und nebenan an seinem richtigen Platz auf Zeit verlor ...).

Ich legte in der sechsten Runde gegen Norbert Hallmann, auf den ich schon einmal vor Jahren in Schwäbisch Gmünd getroffen war, los: 1.e4, woraufhin c6 kam. Aha, e5, was er auch gelegentlich spielt, traut er sich nicht gegen mich und mein Königsgambit! Also wie damals Caro-Kann mit dem jungen Bürschchen! Ich also 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Sf3 Sf6 5.Se5. Dann taucht Ilja Schneider auf und behauptet, ich würde am falschen Brett sitzen. Ich, räusper, erkundige mich bei "meinem" Gegner, der bestätigt, er spiele gegen Schneider! Ich verzog mich verschämt von Brett 18 (meine Startnummer, die hinter der Tischnummer stand) an Tisch 22. Glücklicherweise hatte Schneider nur drei Minuten Verspätung und keine Stunde ... Das unbesudelte Partieformular reichte ich Schneider. Um ein neues für mich wollte ich mich nach den ersten Zügen kümmern. Also Gegner - den richtigen, der mir bekannter als der vorherige vorkam - begrüßt. 1.e4 c6. Aha, e5, was er auch gelegentlich spielt, traut er sich nicht gegen mich und mein Königsgambit! Also wie damals Caro-Kann mit dem jungen Bürschchen! 2.d4 d5. Unauffällig lege ich schon mal meinen Kugelschreiber über die Züge, auf dass Hallmann keinen Einblick nehmen kann. Dann folgt: 3.exd5 cxd5 4.Sf3 Sf6 5.Se5! Gerettet - das Partieformular!!! Ich war also wieder in diesem! Zufälle gibt's ... Ich gewann hernach ebenso im großen Stil wie Schneider hinter meinem Rücken.

Für Spaß sorgte nicht nur wegen der Verwechslung des Brettes die Hallmann-Arie:











Metz (2335) - Hallmann (2134)
20. Staufer-Open, 04.01.2008

1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Sf3 Sf6 5.Se5 So weit auch das Geschehen an Brett 18, bevor Ilja Schneider mich darauf hinwies, dass ich am falschen Tisch sitze ... An Brett 22 verlief das Duell die ersten fünf Züge genauso - wäre interessant zu wissen gewesen, wie lange das gegolten hätte. Schade, dass Schneider schon "so früh" mit drei Minuten Verspätung kam. Andererseits war ich natürlich froh, noch im Partieformular zu sein. Ein Geschmiere darauf wegen Zugänderungen sorgt auch nicht gerade für ästhetischen Hochgenuss! 5...e6 6.c3 Ld6 7.Ld3 0-0 8.0-0 b6 9.De2 Dc7 10.Sd2 Lb7 11.f4 Sc6 12.Tf3 Se7 Wappnet sich gegen Th3 nebst Lxh7+ und Dh5. 13.b3! Weil der Punkt e4 nicht Schwarz überlassen werden soll, kann der Anziehende nur so seine Entwicklung abschließen. Kein Schaden, denn auf der langen Diagonalen leistet der Läufer vielleicht auch in ferner Zukunft seinen Beitrag zum Angriff. 13...a5 Natürlich nicht [ 13...Dxc3 14.Lxh7+ Sxh7 15.Txc3 ] 14.a4 Dc8 15.Lb2 La6 16.c4! Der schöne Läufer soll auf dem Brett bleiben. Da sich Schwarz unglücklich aufgebaut hat, dauert es eh ziemlich lange, ehe irgendein Spiel auf c4 aufgezogen werden kann. 16...Td8 17.Taf1 Lb4 18.Th3 g6 [ 18...Lxd2 gestattet bereits wieder 19.Lxh7+! Sxh7 20.Dh5 Sf5 ( 20...Sg6 21.Dxh7+ Kf8 22.La3+ Lb4 23.Sxg6+ fxg6 24.Lxb4+ axb4 25.Dxg6+- ) 21.Dxf7+ Kh8 22.Sg6# ] 19.Sdf3 Ta7 20.g4 Tc7 21.Df2+- Kg7 22.Sg5 Sc6 [ 22...dxc4 23.bxc4 sorgt für keine Entlastung.] 23.f5! Tf8 [ Nichts ändert 23...Sxe5 24.dxe5 Lc5 25.exf6+ Kg8 26.Ld4 Lxd4 27.Dxd4 dxc4 28.Df2 Txd3 29.Txh7 Dd8 30.Th8+! Kxh8 31.Dh4+ Kg8 32.Dh7+ Kf8 33.Dh8# ] 24.Sxc6 Um alle Abtauschmöglichkeiten nebst Lc5 auszuschließen, nimmt Weiß nun doch lieber erst einmal auf c6 zwischen. 24...Txc6 25.Sxh7 Das gewinnt. Noch stärker ist allerdings [ 25.Txh7+! Sxh7 ( 25...Kg8 26.Dh4 Sh5 27.Txh5 gxh5 28.Dxh5 ) 26.f6+ Kg8 27.Dh4 Sxg5 28.Dh6 Sh3+ 29.Kh1 Sf2+ 30.Txf2 dxc4 31.Dg7# ] 25...exf5 26.Sxf8 fxg4 [ 26...Dxf8 27.Dh4 Sxg4 28.Le2 Ld2 ( 28...Dg8 29.Lxg4 fxg4 30.Dh6# ) 29.Lxg4 fxg4 30.Dh7# ] 27.Th7+! Kg8 28.Dh4 Kxf8 29.Txf6 1-0



Neben der eigenen geringen Remisquote (eines ist gerade noch zu verschmerzen) gefielen wenigstens ein paar Partien - bezeichnenderweise alle wieder mit Weiß. Gewann ich als Anziehender alle vier Duelle kurz und schmerzlos, scheine ich als Nachziehender ernste Probleme zu haben. Den Auftakt machte die Begegnung gegen Petar Injac, die nach 22 Zügen aufgabereif war:











Metz (2335) - Injac (2063)
Staufer-Open Schwaebisch Gmuend, 03.01.2008

1.e4 d6 2.d4 c6 3.Sf3 Lg4 4.h3 Lh5 5.Sc3 Sd7 6.g4 Lg6 7.Sh4 e5 8.Sxg6 hxg6 9.Lg2 g5 10.Le3 f6 11.Dd2 Se7 12.h4! Damit Schwarz mit Sg6 nicht alles abdichten kann, müssen Linien geöffnet werden. 12...Txh4 13.Txh4 gxh4 14.g5 Da5 15.dxe5 dxe5? [ 15...Sxe5[]~~ ] 16.0-0-0 Dc7 17.Lh3 Sb6? 18.gxf6 gxf6 19.De2+- Sec8 20.Dh5+ Df7 21.Td8+! Ke7 22.Lc5+ Beseelt vom Damengewinn. Noch stärker ist allerdings [ 22.Dd1! und Schwarz kann aufgeben.] 22...Kxd8 23.Dxf7 Lxc5 24.Dxf6+ Se7 25.Dxe5 Lxf2 26.Dd6+ Ke8 27.Lg4 Le3+ 28.Kb1 Sbc8 29.Lh5+ Kf8 30.Df6+ Kg8 31.Lf7+ Kh7 32.e5 h3 33.Dh4+ Lh6 34.Dxh3 Kg7 35.Le6 Sb6 36.Dg4+ Kf8 37.Dh5 1-0



Saß ich dann gelegentlich gleich am richtigen Brett, ging es auch zuweilen unterhaltsam auf den 64 Feldern zu. Die Kiebitze erfreute insbesondere meine Schlussrunden-Partie, die sie an eine berühmte Partie von Paul Morphy erinnerte. Gegen Johannes Raps "verbesserte" ich das Spiel des legendären Amerikaners in der Pariser Oper gegen Isouard und den Grafen von Braunschweig. Entstand die berühmte Partie über eine Philidor-Verteidigung, erreichte ich die Grundidee nach einem Königsgambit - so blieb Schwarz die Möglichkeit verwehrt, sich mit nur einem Minusbauern aus der Affäre zu ziehen! Angesichts des originellen Tritts in Morphys große Fußstapfen verzeihe ich mir die Niederlage zuvor gegen Alexander Gasthofer, die das Duell der Schlussrunde erst ermöglicht hatte. Der Bad Mergentheimer IM nahm mich sauber auseinander. Die 6,5/9 waren nichts Besonderes, hatte ich doch bis auf Gasthofer keine überragenden Gegner - die Besetzung in Schwäbisch Gmünd war heuer auch ziemlich mau mit nur einem GM, Normunds Miezis, unter 329 Teilnehmern (mehr zum Endstand beim 20. Staufer-Open findet sich in der Meko vom 19. Januar).

Und zum krönenden Schluss die "Verbesserung" der legendären Morphy-Partie:











Metz (2335) - Raps (2191)
Staufer-Open Schwaebisch Gmuend, 06.01.2008

1.e4 e5 2.f4 [ 2.Sf3 d6 3.d4 Lg4? 4.dxe5 Lxf3 5.Dxf3 dxe5 6.Lc4 Sf6? 7.Db3 De7[] 8.Sc3! c6 9.Lg5 b5? 10.Sxb5! cxb5 11.Lxb5+ Sbd7 12.0-0-0 Td8 13.Txd7! Txd7 14.Td1 De6 15.Lxd7+ Sxd7 16.Db8+!! Sxb8 17.Td8# 1:0. Morphy,P-Isouard/Graf von Braunschweig, Pariser Oper 1858.] 2...d6 3.Sf3 Lg4?! 4.Lc4 Sf6? [ 4...Sc6 ist Pflicht.] 5.fxe5 Lxf3 6.Dxf3 dxe5 7.Db3+- Damit ist die Stellung aus der Morphy-Partie entstanden - allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Der d4-Bauer steht noch auf seinem Grundfeld, stattdessen schlug der f-Bauer auf e5. 7...Lc5 [ 7...De7 funktioniert nicht wie in der Morphy-Partie - weil nach 8.Dxb7 Db4 kein Schach auf b4 ist und somit die Damen nicht getauscht werden können.; 7...Dd7 geht ebensowenig wegen 8.Dxb7 Dc6 9.Lb5 ] 8.Lxf7+ Kf8 9.Tf1! Sbd7 10.d3 c6 11.Lh5 g6 12.Lh6+ Ke7 13.Le2 Db6 14.Sd2 Tag8 15.h4 Dxb3 16.Sxb3 Lb6 17.0-0-0 Kd8? Verliert in schwieriger Stellung weiteres Material. 18.d4 Lc7 19.Lc4 [ Oder 19.Txf6! Sxf6 20.dxe5+ Sd7 21.e6 ] 1-0



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