"Computer können noch immer einiges von uns lernen!"Match zwischen Mensch und Maschine endet erneut ohne Sieger: Kasparow - Fritz 2:2von FM Hartmut Metz, 22. November 2003 |
Die Abtauschorgie in 3D hat nur bei einem überschwängliche Gefühle ausgelöst. Remis nach 27 Zügen, in denen 22 der 32 Figuren abgeholzt wurden. Der Friedensschluss zwischen Garri Kasparow und dem deutschen Schachprogramm X3D Fritz besiegelte im New Yorker Athletic Club den 2:2-Endstand. Das dritte Unentschieden zwischen Mensch und Maschine binnen eines Jahres. Weltmeister Wladimir Kramnik (Russland) hatte die großen Duelle mit einem 4:4 in Bahrain gegen Deep Fritz eingeleitet und sein Landsmann Kasparow diese mit einem 3:3 gegen den israelischen Computer-Weltmeister Deep Junior fortgesetzt.
Diesmal blieb Kasparow, der 175.000 Dollar kassierte, harsche Kritik an derselben Stätte erspart. Das Remis war ausgekämpft: Die dreidimensionale Animation der Jenaer Firma X3D-Technologies zeigte dem hinter einer dunklen Brille brütenden Weltranglistenersten nur noch je einen König, Dame, Turm und zwei Bauern in Weiß und Schwarz an. Keine Seite konnte mehr gewinnen. Im Februar hatte Kasparow Unmut hervorgerufen, als er ängstlich in der letzten Partie trotz leichter Vorteile einen Friedensschluss vorschlug. Der amerikanische Sportfan will keine Unentschieden, sondern strahlende Sieger und tragische Verlierer. Doch dem weltbesten Schachspieler sitzt seit seiner 19-zügigen Schlappe gegen den legendären IBM-Großrechner Deep Blue die Angst im Nacken, nochmals solch ein Desaster wie anno 1997 bei der ersten Niederlage eines Schach-Weltmeisters gegen ein Programm (2,5:3,5) zu erleben.
Beim dritten Aufeinandertreffen im Athletic Club darf sich erstmals Kasparow als moralischer Sieger fühlen. Insgesamt sei er mit seiner Leistung zufrieden und habe die Maschine alles in allem "ausgespielt", tönte der 40-Jährige nach dem weltweit beachteten Match. Lediglich die Niederlage in Runde zwei hinterließ bei ihm einen faden Beigeschmack. "Ich machte nur einen Fehler - doch leider kostete der Schnitzer die Partie", klagte der Moskauer. Das "trickreiche Biest", wie Schnellschach-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) Fritz nannte, hatte sofort zugeschnappt und den eingestellten Bauern verspeist. Die Kommentatoren sahen bereits die Götterdämmerung heraufziehen. "Garri wird alt. Drei, vier Stunden hält man mühelos mit, dann kommt der Blackout", unkte der Erfurter Großmeister Thomas Pähtz nach dem Patzer.
Garri Kasparow, Foto Harald Fietz
Mit den weißen Steinen wirkte Kasparow allerdings danach nicht alt, sondern war wieder ganz der Alte. Der Moskauer lieferte ein Lehrstück für "Computer-Karate". Bereits im siebten Zug unterlief Fritz der erste Fehler mit einem Bauernvorstoß nach a5. Geschickt riegelte hernach sein Kontrahent die Position ab, belagerte und eroberte den Bauern. Während in offenen Stellungen die Rechengewalt der vier Drei-Gigahertz-Prozessoren besonders zum Tragen kommt, fördern die kalkulierten vier Millionen Züge pro Sekunde in geschlossenen Stellungen oft Unsinn zu Tage. "Wir kennen das Problem. Es ist nur so, dass wir nicht wissen, wie wir es beheben sollen", erklärte Fritz-Erfinder Frans Morsch.
Der Unterschied zwischen offenen Positionen, in denen die Figuren viel Platz und Möglichkeiten besitzen, und geschlossenen lässt sich mit einem Wettrennen zwischen einem Jeep und einem Formel-1-Boliden vergleichen: Macht der Geländewagen auf offener Straße nur einmal Platz, rast der Formel-1-Flitzer vorbei und man sieht nur noch den Auspuff. Im günstigsten Falle hält der Mensch den Jeep mitten auf der Straße, der Gegner kann nicht überholen und man geht gemeinsam über die Ziellinie - Remis. Im Dschungel, geschlossenen Stellungen mit nur wenigen Durchbruchmöglichkeiten, reicht der Druck aufs Gaspedal allein nicht aus. Weniger PS genügen, wenn man einen Plan hat, wie das Dickicht am besten zu durchdringen ist.
Gute Schachspieler schauen kurz aufs Brett, dann wissen sie, was langfristig zu tun ist. Ohne konkrete Möglichkeiten verpufft die Rechengewalt hinter dem Wahrnehmungshorizont des Computers. Der Mensch kalkuliert lediglich zwei bis drei Züge pro Sekunde, aber mit einem festen Ziel vor Augen. Seinen Plan setzte Kasparow in der dritten Partie konsequent um. Energisch diktierte er Zug um Zug in das Mikro, wonach diese auf das 3D-Brett gesetzt wurden. Nach 45 Zügen gaben die Fritz-Programmierer auf. Mit einem breiten Grinsen kommentierte Kasparow: "Es gibt viele, viele Positionen auf dem Brett, die die Maschinen nicht verstehen und in denen sie völlig überfordert sind. Ich denke, wir haben gesehen, dass die Computer noch immer einiges von uns lernen können!" Zum Beweis nachstehend die dritte Partie des Wettkampfs in New York.
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W: Kasparow S: X3D FRITZ1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 d5 4.d4 c6 5.e3 a6 6.c5 Sbd7 7.b4 a5? Weiß plant ohnehin mittels a4 den Bauernvorstoß b5 durchzusetzen. Schwarz arbeitet also mit dem Zug dem Anziehenden in die Hände. Noch erstaunlicher macht den Fehler die Tatsache, dass ein normales Fritz-8-Programm auf einem durchschnittlichen Rechner den Zug nicht sonderlich ins Kalkül zieht. Nur auf Platz fünf der besten Züge listet ihn Fritz 8 nach mehrminütigem Nachdenken auf. Stattdessen entscheidet das Programm sich für die weit bessere Fortsetzung b6, um den Bauernriegel möglichst rasch aufzubrechen. 8.b5 e5 9.Da4 Dc7 10.La3 e4 11.Sd2 Le7 12.b6!N Dieser neue Zug ist vor allem gegen einen Computer extrem stark. [ 12.Le2 h5 13.b6 Dd8 14.h3 Sf8 15.0-0-0 Se6 16.Sdxe4 Sxe4 17.Sxe4 h4 18.Sd2 0-0 19.Thg1 Te8 20.Ld3 Lf8 21.Lb2 Sg5 22.Dc2 a4 23.a3 De7 24.Tde1 Se4 25.Sf1 Dg5 26.f3 Sf6 geschah 1948 in der Partie Reschewski-Keres. Weiß erreichte damit eine Gewinnstellung. Gegen einen Gegner aus Fleisch und Blut wäre Kasparow wahrscheinlich dieser Stammpartie gefolgt - der mit b6 eingeschlagene Pfad stellt jedoch ein Programm vor größere Probleme.] 12...Dd8 13.h3 0-0 14.Sb3 Ld6!? Der einzige interessante Zug von Fritz in dieser Partie! Er fußt jedoch auf einem leicht zu durchschauenden Trick. 15.Tb1 [ Natürlich nicht 15.cxd6?? Sxb6 und die weiße Dame ist gefangen!] 15...Le7? Ein weiterer Schnapszug. Wenn schon der Läufer ziehen soll, dann bitte nach b8. Von dort kann er den Bauernvormarsch f5-f4 unterstützen. Das ist die einzige Chance für Schwarz, um Gegenspiel zu bekommen. 16.Sxa5 Sb8 17.Lb4 Dd7 18.Tb2 Weiß überdeckt prophylaktisch f2 und bereitet die Evakuierung des Königs an den Damenflügel vor. Dort steht er sicher, so dass ein schwarzer Bauernvormarsch am Königsflügel größere Risiken für Fritz birgt - nichtsdestoweniger müsste das Programm diese einzige Chance ergreifen. 18...De6 [ 18...Df5?? ist ein Schnitzer wegen 19.Sxc6! Txa4 20.Sxe7+ Kh8 21.Sxf5 ] 19.Dd1 Sfd7 20.a3 Dh6 21.Sb3 Nach der Eroberung des Bauern ziehen sich die weißen Figuren wieder zurück. Während Kasparows Plan bereits steht, ahnt Fritz nichts von der künftigen Entwicklung, die hinter seinem Rechenhorizont von etwa 18 bis 19 Halbzügen verschwindet. 21...Lh4 22.Dd2 Es drohte Dxe3+. 22...Sf6? Fritz kapiert nicht, dass f5 geschehen muss. Lieber gruppiert Schwarz sinnlos seine Figuren um. 23.Kd1 Le6 [ 23...Lxf2?! erweist sich als Fehler: 24.Dxf2 Sg4 25.Dd2 Sxe3+ 26.Ke2 Sxf1 27.Txf1 mit weißer Gewinnstellung.] 24.Kc1 Td8 25.Tc2 Sbd7 26.Kb2 Sf8 27.a4 Sg6 28.a5 Se7 Ohne die letzten sieben "Entwicklungszüge" stünde Schwarz besser als in der Partie! Fritz 8 wähnt Schwarz in der eigentlich hoffnungslos verlorenen Stellung mit 0,56 Bauerneinheiten im Vorteil! Ein Beleg, dass Computer mit diesen Positionen nichts anzufangen wissen. 29.a6 Weiß gibt den Bauern nur kurzfristig her. Nach Belieben kann ihn Kasparow zurückgewinnen. 29...bxa6 30.Sa5 Tdb8 31.g3 Lg5 32.Lg2 Der Anziehende entwickelt den Läufer nach g2, um danach auch den Turm, die letzte passive Figur, ins Kampfgetümmel werfen zu können. Sehr umsichtig vorgetragen vom Russen, der nichts überstürzt und seine Figuren langsam besser und besser aufstellt. 32...Dg6 33.Ka1 Kh8? Ein weiterer nutzloser Zug. [ 33...Lc8 nebst der Umgruppierung des Springers von f6 via d7, f8 und e6 nach d8 ist die einzige Verteidigungsmöglichkeit.] 34.Sa2 Ld7 35.Lc3 Se8 36.Sb4 Kg8 37.Tb1 Lc8 38.Ta2 Lh6 39.Lf1 De6 40.Dd1 Sf6 41.Da4 Lb7 Nach der Zeitkontrolle vollzieht Weiß den Todesstoß. 42.Sxb7 Txb7 43.Sxa6 Dd7 44.Dc2 Kh8 45.Tb3 Die Programmierer von Fritz gaben zu früh auf. Sicher, Kasparow steht auf Gewinn - doch wenn er seinen Bauern nach vorne bringen will, muss er Figuren tauschen. Vielleicht hätte sich dann noch eine Konterchance ergeben wie in der zweiten Partie, als der Russe auch patzte. 1-0 |
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In seiner Green-Pepper-Reihe offeriert Novitas eine alte Version des beliebtesten Schachprogramms der Welt: Fritz 6. Die Version ist nicht viel schwächer als die aktuelle Nummer 8. Für den Hobbyspieler reicht es allemal, der auch schon gegen frühere Fritz-Vorgänger keine Chance mehr hatte. Handicap-Stufen lassen einen aber auch mal gewinnen, wenn man das möchte. Der Riesenvorteil der ebenfalls sprechenden Spezialversion: Der Preis ist mit 6,99 Euro ein absolutes Schnäppchen gegenüber dem sieben Mal so teuren Fritz 8.
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