Schach als Werbung für die KaribikBoris Gulko sieht sich vom Geist eines alten Rivalen beseeltvon FM Hartmut Metz, 29. November 2003 |
Lediglich 42 Teilnehmer verzeichnete das Curaçao International Gateway Tournament - doch welch ein kleines, aber feines Open-Feld! "Von der dritten bis zur neunten Runde hatte ich nur Großmeister als Gegner", resümierte Boris Gulko. Im Penthouse des Van der Valk Plaza-Hotels sah sich der US-Amerikaner vom "Geiste Tigran Petrosjans" beseelt. "Wie er 1962 beim legendären Schachturnier hier in der Karibik wollte ich keine Partie verlieren", erzählte der 56-Jährige.
Boris Gulko
Bedurfte es für Petrosjans Coup einst die von Bobby Fischer verdammte Schützenhilfe anderer Sowjets, die gegeneinander Kräfte sparten und remisierten, kam Gulko auch ohne Friedenspakt ungeschlagen durchs Turnier auf den Niederländischen Antillen. Der UdSSR-Meister von 1977, der damals das Ergebnis von 1975 (Petrosjan vor Gulko) umdrehen konnte, verbuchte nach neun Runden 6,5 Zähler. Dank der besten Feinwertung bedeutete dies Platz eins für den nach jahrelangen Restriktionen 1986 aus der Sowjetunion emigrierten Großmeister. Knapp dahinter folgten US-Champion Alexander Schabalow, Robert Hübner und der Israeli Alon Greenfeld mit derselben Punktzahl.
Schabalow, der 2003 alle vier Major-Turniere in den Vereinigten Staaten gewann und allein dabei 53 000 US-Dollar abräumte, legte auch in Willemstad los wie die Feuerwehr. Nach vier Siegen hätte der Tennisspieler, der beinahe täglich seinem Hobby in der einzigen Stadt Curaçaos frönte, den Verfolgern um einen Punkt enteilen können. "Ich wollte schon aufgeben", berichtete Hübner nach der fünften Runde. Doch die paar Züge, die der Baden-Ooser noch sehen wollte, misslangen dem sonst so tödlichen Angriffsspieler Schabalow. Nachdem der 36-Jährige ins Remis einwilligen musste, unterlag er anschließend im entscheidenden Duell gegen Gulko.
Curaçao möchte aus dem Schatten des Touristen-Eldorados Aruba heraus, weshalb das Touristikamt in Willemstad Sportveranstaltungen zur Werbung nutzt (eine kleine Vorstellung von Curaçao). Einstweilen bleibt es jedoch dem Schachteam vorbehalten, dem Erzrivalen aus Aruba den Rang abzulaufen. 3:1 lautete der Endstand beim letzten prestigeträchtigen Bruder-Duell der ABC-Inseln. Bei der Schach-Olympiade belegt das rund 140 000 Einwohner zählende Curaçao meist Plätze um Rang 80. Ein akzeptables Resultat für die nur 50 Spieler, die im SV Nacho Moron (benannt nach einem verstorbenen Turnierorganisator) und dem SV Janwe (der Klub aller Jugendlichen) Mitglied sind.
Nachwuchsprobleme ergeben sich automatisch, weil die meisten Talente in den Niederlanden studieren und nur etwa ein Zehntel danach wieder auf die karge Insel zurückkehrt. Hinzu kommt, dass Baseball mit weitem Abstand am populärsten ist. Grund: Auf Curaçao eifern die Kinder Andrew Jones nach. Der Nationalheld spielt in den USA bei den Atlanta Braves und verdient dort angeblich rund 50 Millionen Dollar im Jahr. Immerhin: "Schach ist eine der wenigen Sportarten, mit denen wir hier Werbung machen können", weiß Turnierorganisator Ger Jan Meijer. Der 40-jährige Finanzmanager hofft, vor allem das Tourismus-Büro für eine Neuauflage des Turniers 2004 begeistern zu können. Sieger Gulko kommentierte seine "beste Partie" gegen US-Meister Schabalow.
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