Lieber Kleinbauer als SchachkönigGranda Zuniga zurück in der Turnierarena / Hübner trumpft bei seinem einzigen Turnier 2003 aufvon FM Hartmut Metz, 6. Dezember 2003 |
Vor rund einem Vierteljahrhundert hat Robert Hübner zu den drei besten Schachspielern auf dem Planeten gezählt. Nur Weltmeister Anatoli Karpow und Viktor Kortschnoi standen ihm im Weg zum Titel. Gegen Letzteren gab der beste deutsche Denkstratege nach dem Zweiten Weltkrieg entnervt das Kandidaten-Finale auf. Dem feinfühligen Doktor standen seine Nerven und seine Prinzipientreue im Weg, um auf den Schachthron zu gelangen. Dazu beigetragen hat aber sicher auch die Vielseitigkeit des gebildetsten Top-Großmeisters, weshalb sich der Sprachforscher im Gegensatz zur Konkurrenz nicht nur dem kleinen Kosmos aus 64 Feldern verschrieb.
Weil aber auch das Alter im Schach seinen Tribut fordert, hat Hübner seine Profikarriere an den Nagel gehängt und arbeitet inzwischen bei der Baden-Badener Grenke Leasing AG als Übersetzer. Der Sponsor schlug damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen wurde dadurch Bundesligist SC Baden-Oos verstärkt, zum anderen gibt es kaum einen versierteren Übersetzer als den Kölner. Acht Sprachen beherrsche er, sagt der 55-Jährige. Da Hübner die Bescheidenheit und Selbstkritik in Person ist, bedeutet diese Aussage allerdings nur, dass er acht Sprachen absolut perfekt beherrscht - angeblich kommt noch rund ein weiteres Dutzend hinzu, dessen Kenntnisse das deutsche Ass als "stümperhaft" bezeichnen dürfte. Jeder andere wäre darauf hingegen stolz.
Auf Curaçao spielte Hübner sein erstes Turnier in diesem Jahr! Nach Startschwierigkeiten teilte er am Schluss mit Boris Gulko, Alexander Schabalow und Alon Greenfeld (alle 6,5:2,5 Punkte) Platz eins. Beklagte Hübner noch in Runde acht den verpassten Gewinn gegen Karel van der Weide (siehe Partie), trumpfte der 55-Jährige anschließend auf. Mit einer starken Leistung überflügelte er den führenden Julio Granda Zuniga.
Julio Granda Zuniga
Den ruhigen Peruaner brachte der Absturz auf Platz fünf nicht aus dem seelischen Gleichgewicht. Seit seinem Rückzug vom Schach 1998 vollzog sich ein bemerkenswerter Wandel: Galt Granda Zuniga bis dahin als Lebemann - seine Liaison mit Zsuzsa Polgar endete angeblich abrupt, als die Frauen-Weltmeisterin erfuhr, dass der Südamerikaner schon längst verheiratet war und ein Kind hatte -, führte der damals 31-Jährige fortan ein karges Dasein als Kleinbauer!
Der im Andenstaat populäre Sportler lehnte es auch ab, die chancenreiche Kandidatur als Bürgermeister seiner Heimatstadt Camana zu nutzen. Kurz vor der Wahl erlebte Granda Zuniga bei einer Bergbesteigung etwas ("Der Fels unter meinen Füßen wurde weich. Dabei schossen mir allerlei Dinge durch den Kopf"), das ihn religiös werden ließ. Zurück ans Brett schickte ihn jedoch nicht Jesus, sondern seine finanzielle Lage: "Ich hasse Schulden", begründet der U14-Weltmeister von 1980, warum er im Vorjahr die Landesmeisterschaften in Peru mitspielte und diese auch locker gewann. Der inzwischen brave vierfache Familienvater steht jetzt wieder häufiger in der Turnierarena.
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