Startseite Rochade Kuppenheim

Dautov holt sich erst einen Rhabarber-Kuchen, dann den Pokal

OSC Baden-Baden gelingt im deutschen Cup-Endspiel "kleine Revanche" gegen Titelverteidiger Porz; Udo Käser setzt sich im Dähne-Pokal durch

von FM Hartmut Metz, 23. April 2005

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Als Rustem Dautov eine Tasse Kaffee und ein Stück Rhabarber-Kuchen orderte und genüsslich verspeiste, während sein Kontrahent Christopher Lutz eine Etage höher im Internationalen Club am Brett grübelte, war klar: Der OSC Baden-Baden gewinnt den deutschen Schach-Pokal. Der Porzer verteidigte zwar nach vorherigem "schlaffen Spiel", wie sich Lutz selbst tadelte, hartnäckig ein Remis - doch das 2:2 genügte den Gastgebern, um zum zweiten Mal den Cup einzuheimsen. Bei Gleichstand entscheiden Siege an den vorderen Positionen. Und am Spitzenbrett hatte der Weltranglistenzehnte in Diensten der Kurstädter, Peter Swidler, den Holländer Loek van Wely in die Schranken gewiesen. So half dem deutschen Meister Porz der Erfolg von Ivan Sokolov an Brett zwei gegen Michal Krasenkow nichts, weil die beiden anderen Partien remis endeten. Neben Dautov - Lutz auch Robert Hübner, der gegen Rafael Waganjan immer etwas besser stand.

 

Pokalspiel Baden-Baden 2005

Robert Hübner (links) drückte gegen Rafael Waganjan lange Zeit, ehe sich die deutsche Schach-Legende mit einem Remis beschied. Foto: Metz

 

   "Das ist eine kleine Revanche", befand Jürgen Gersinska. Der OSC-Vorsitzende spielte damit auf die Niederlage der Baden-Badener in der Vorwoche an, als Porz den Erzrivalen mit einem 4,5:3,5 aus dem Meisterschaftsrennen geworfen hatte. Nun tragen die Kölner den Stichkampf gegen Werder Bremen aus. Entsprechend gelassen reagierte Wilfried Hilgert auf den K.o.: "Die Meisterschaft ist wichtiger als der Pokal - auch wenn wir natürlich beide Wettbewerbe immer gewinnen wollen", erklärte der Mäzen des zehnfachen deutschen Champions, der 2004 den im Jahr zuvor erfolgreichen Baden-Badenern den Pokal abgenommen hatte.

 

Pokalsieger Baden-Baden 2005

Das Quartett mit Peter Swidler (von links), Michal Krasenkow, Rustem Dautov und Robert Hübner eroberte zum zweiten Mal den deutschen Pokal. Foto: Metz

 

   Platz drei ging bei der Endrunde an die Schachfreunde Neukölln, die den Oberligisten Post Hannover mit 2,5:1,5 schlugen. Tags zuvor hatte Baden-Baden keine Mühe, den Außenseiter aus Niedersachen im Halbfinale mit 4:0 zu eliminieren. Neukölln war beim 0,5:3,5 gegen Porz chancenlos.

 

Lars Thiede

Der Neuköllner Lars Thiede verbuchte gegen Porz das einzige Remis des Berliner Bundesligisten. Foto: Metz

 

Udo Käser

Im zweiten Anlauf sicherte sich Udo Käser in den einstigen Räumen des Internationalen Galoppclubs den Dähne-Pokal. Foto: Metz

 

   Den deutschen Einzelpokal gewann zum ersten Mal Udo Käser. Der FM von den Schachfreunden Lohmarer setzte sich im Endspiel gegen FM Roland Voigt (SC Leipzig- Gohlis) durch. Beide Finalisten hatten mehrfach ihre Blitz-Qualitäten bewiesen. Voigt hatte im Viertelfinale erst Alexej Guitkis (SG Weiß-Blau Eilenriede) nach einem Remis im Blitz 2:0 geschlagen, die Taktik ging ebenso in der Vorschlussrunde gegen Kai Wornath (SV Griesheim) mit dem gleichen Ergebnis auf. Käser hatte auf deutscher Ebene in allen "geraden" Runden die Entscheidung im Blitz gesucht. In Baden-Baden verlor der 37-Jährige die zweite Fünf-Minuten-Partie gegen Ulrich Rissmann (SF Königsbronn), machte dann aber den zweiten Finaleinzug seiner Karriere in der dritten Begegnung perfekt. Ende der 90er hatte der wissenschaftliche Mitarbeiter am Psychologischen Institut an der Uni Bonn gegen den heutigen Bremer Bundesligaspieler Sven Joachim im Blitz den Dähne-Pokal verpasst. "Das ging damals genau anders herum aus als auf nordrhein-westfälischer Ebene", erinnerte sich der neue Titelträger und ergänzte, "das war schon frustrierend - aber jetzt ist alles gut!" Elf Runden musste Käser auf Bezirks-, Landes- und deutscher Ebene ungeschlagen überstehen. In Verlustgefahr habe er sich in keiner Partie befunden, berichtete der gebürtige Dürener von seinem Lauf bis zu höchsten deutschen Weihen.

 

Deutscher Einzelpokal 2005

Das Einzelpokal-Endspiel zwischen Roland Voigt (links) und Udo Käser verlief einseitig. Foto: Metz

 

   Zufrieden zeigte sich ebenso Peter Swidler. Der "Mr. Zuverlässig" der Baden-Badener spielte seiner Ansicht nach "alles andere als eine perfekte Partie gegen van Wely. Ein Remis wäre wohl das objektiv richtige Ergebnis gewesen. Angesichts des sich abzeichnenden Sieges von Sokolov hätte ich aber ohnehin alles versuchen müssen, damit mein Team gewinnt. So bin ich glücklich, dass ich meinem Klub helfen konnte", sagte der Matchwinner des OSC.

 

Schach-Analyse

Analyse der entscheidenden Partie zwischen Loek van Wely (links) und Peter Swidler. Foto: Metz

 

   So cool wie Dautov am Schluss nicht ins Remis abwickelte, sondern auf Gewinn spielte, so aufgeregt war Krasenkow. Was, fragte sich der Pole, wenn sein Mannschaftskamerad doch patzt und verliert? Dem Weltranglisten-31. schwirrte noch immer sein Malheur vom Sonntag zuvor im Kopf herum. "Es ist kaum möglich, den Gedanken zu verdrängen - insbesondere, weil es der schlimmste Patzer war, der mir in meiner Karriere in Mannschaftskämpfen unterlief", hatte der Baden-Badener nach seinem einzügigen Aussetzer in der Bundesliga gegen Alexander Beljawski geklagt und sogar Tränen vergossen. Sollten nun die Porzer erneut ein Wunder schaffen? Ivan Sokolov "träumte" während der letzten Minuten, die Dautov und Lutz nach fast sechs Stunden verblieben waren, davon: "Ich habe schon einmal einen wundersamen Sieg gesehen, bei dem beide in einem Fünfsteiner-Endspiel mit Dame gegen Dame und Läufer nur noch Sekunden auf der Uhr hatten!", erzählte der Wahl-Holländer Swidler.

 

Pokalspiel Baden-Baden 2005

Von Beginn an die Ruhe weg hatte Rustem Dautov (links) gegen seinen Porzer Nationalmannschaftskollegen Christopher Lutz. Foto: Metz

 

   Doch während Krasenkow nervös umhertigerte, saß sein OSC-Mannschaftskamerad stoisch am Brett und verzichtete auf einfachste Remisabwicklungen wie ein Endspiel mit zwei Bauern gegen einen bloßen Lutz’schen Läufer. "Was sollte passieren? Ich spielte ohne Risiko und hatte die bessere Zeit", erklärte der abgebrühte Dautov seine Ruhe und fügte an, "ich wollte meine Partie gewinnen. Ein 2,5:1,5-Sieg sieht besser aus, als wenn wir bei einem 2:2 nur durch Berliner-Wertung den Pokal holen."

 

Finale:
SG Porz - Baden-Baden 2:2
1. Loek van Wely - Peter Swidler 0:1 2. Ivan Sokolov - Michal Krasenkow 1:0 3. Christopher Lutz - Rustem Dautov remis 4. Rafael Waganjan - Robert Hübner remis

 

Spiel um Platz 3:
Neukölln - Hannover 2,5:1,5
1. Rainer Polzin - Ilja Schneider 1:0 2. Lars Thiede - Dennes Abel remis 3. Dirk Poldauf - Klaus Cordes 1:0
4. Christoph Nogly - Nikolaus Nüsken 0:1

 

Halbfinale:
SF Neukölln - SG Porz 0,5:3,5
1. Polzin - Sokolov 0:1, 2. Poldauf - van Wely 0:1, 3. Thiede - Lutz remis, 4. Nogly - Waganjan 0:1
Baden-Baden -Hannover 4:0
1. Swidler - Schneider 1:0, 2. Krasenkow - Cordes 1:0, 3. Dautov - Nüsken 1:0, 4. Hübner - Florian Kull

 

Pokalspiel Baden-Baden 2005

Höhepunkt für den Hannoveraner Ilja Schneider (links): Einmal gegen den Weltranglistenzehnten Peter Swidler spielen! Foto: Metz

 

 

Dähne-Pokal (deutscher Einzelwettbewerb)

Viertelfinale:
Kai Wornath (SV Griesheim) - Falko Meyer (SF Hamburg 1934) 1:0
Michael Willim (Tarrasch Nürnberg) - Udo Käser (SF Lohmar) 0:1
Thomas Frübing (SG GW Köpenick) - Ulrich Rissmann (SF Königsbronn) remis, Blitz: 0,5:1,5
Roland Voigt (SC Leipzig-Gohlis) - Alexej Guitkis (SG Weiß-Blau Eilenriede) remis, 2:0

Halbfinale:
Wornath - Voigt remis, 0:2; Käser - Rissmann remis, 2:1

Finale:
Käser - Voigt 1:0

 

 










Swidler, Peter - van Wely, Loek [B31]
Finale Deutsche Pokalmeisterschaften, 17.04.2005

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 dxc6 5.d3 Lg7 6.h3 Sf6 7.Sc3 Sd7 8.Le3 e5 9.0-0 De7 10.Dd2 Sf8 11.Lh6 f6 12.Sh4 Se6 13.Se2 0-0 14.Tad1 b6 15.Lxg7 Sxg7 16.f4 exf4 17.Sxf4 17...g5?! [17...Dd6= umgeht das folgende Opfer und hält die Stellung im Gleichgewicht.] 18.Shg6 hxg6 19.Sxg6 De8 20.Sxf8 Dxf8 21.e5 f5 [21...Sh5!? 22.Tde1 Sf4~~ ist eine Alternative. 23.g3 Sxh3+ 24.Kg2 Le6!? 25.Txf6 De8 26.c4 (26.b3? erlaubt: 26...Ld5+ 27.Kf1 (27.Kxh3?? Dh5# ) 27...Dh5 28.Te3 Tf8 29.c4 Le6 30.d4 Txf6+ 31.exf6 Dg6 32.De2 Db1+ 33.De1 Dxe1+ 34.Kxe1 Kf7 35.dxc5 Kxf6 mit Ausgleich.) 26...Td8 27.De3 Td7 und Weiß steht besser.] 22.Dxg5 Le6? Das geißelten Loek van Wely wie Peter Swidler als entscheidenden Tempoverlust. Nach sofortigem Ld7 stehe Schwarz etwas besser, ohne jedoch Weiß in Verlustgefahr bringen zu können. 23.Tf4 Te8 24.Te1 Ld7 25.Te3 De7 26.Dg3 Df7 27.Th4 Te6 [Das gierige 27...Dxa2 28.Dg6 Te7 (28...Df7?? 29.Th8+ Kxh8 30.Dxf7 ) 29.Dh6+- De6 (29...Kf8 30.Df6+ Df7 31.Th8# ) 30.Dh8+ Kf7 31.Th6 Te8 32.Dh7 De7 33.Tg6 Tg8 34.Tf6++- führt zum Verlust.] 28.Df4 Le8? [28...Tg6[] ist noch die letzte Rettungsmöglichkeit. 29.Th6 Se6 30.Dh4 Txh6 31.Dxh6 f4+/= und der Nachziehende ist ungeachtet seines schwachen eingeklemmten Läufers nicht so leicht auszuhebeln.] 29.Tg3 Df8 30.Th6 De7 31.Txe6 Dxe6 32.Dg5 Dxe5 33.Te3 Db8 34.Te7 Lf7 35.Df6 Df8 Die schwarzen Kräfte sind alle gebunden, so dass der weiße Turm nun die Ernte unbehelligt einfahren kann. 36.Txa7 Le8 37.Dxf8+ Kxf8 38.a4 Se6 39.Tb7 c4 40.Txb6 cxd3 41.cxd3 Der a-Bauer ist nicht mehr vernünftig zu stoppen. Deshalb gab van Wely auf. 1-0

vorherige Meko    Meko-Übersicht   nächste Meko