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Dem Papst Probleme untergeschoben

Johannes Paul II. nahm wundersame Rettung in Schachpartie mit Humor

von FM Hartmut Metz, 16. April 2005

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   Geschichtsfälschung hat eine Tradition über Jahrtausende hinweg. Nicht nur Despoten wollten in einem besseren Lichte als in dem der glanzlosen Wirklichkeit erstrahlen. In der Antike gab es auch Schriften, so genannte Pseudepigraphen, die einem Autor fälschlich zugeschrieben wurden. Selbst die katholische Kirche musste sich mit derlei herumplagen: Apokryphen sind nicht in den Kanon aufgenommene, jedoch den anerkannten biblischen Schriften formal und inhaltlich sehr ähnliche Werke. Dem verstorbenen Johannes Paul II. erging es im Schach nicht besser! In den 80er Jahren wurden dem Papst eine Partie und einige Schachprobleme untergeschoben, die er ersonnen haben sollte.

   Derlei ist bei Prominenten nicht neu. Napoleon Bonaparte sollte ein paar geniale Partien gespielt haben, obwohl der Kaiser ein nur leidlicher Schachdenker war und sich erst im Exil mehr mit dem königlichen Spiel befasste. Im Ruch dreister Erfindung steht auch manch berühmte Kombination, etwa jene aus dem angeblichen Duell Adams - Torre (New Orleans/1920).

 










Adams, Edward Bradford - Torre Repetto, Carlos [C62]
New Orleans, 1920

1.e4 e5 2.Sf3 d6 3.d4 exd4 4.Dxd4 Sc6 5.Lb5 Ld7 6.Lxc6 Lxc6 7.Sc3 Sf6 8.0-0 Le7 9.Sd5 Lxd5 10.exd5 0-0 11.Lg5 c6 12.c4 cxd5 13.cxd5 Te8 14.Tfe1 a5 15.Te2 Tc8 16.Tae1 Dd7 17.Lxf6 Lxf6 18.Dg4! Db5 19.Dc4! Dd7 20.Dc7! Db5 21.a4! Dxa4 22.Te4 Db5 23.Dxb7! 1-0

 

   Was den Papst anlangt, tauchten nicht lange nach der Wahl von Karol Wojtyla im Oktober 1978 eine Partie und drei Schachprobleme des Polen auf. Den Redakteuren der französischen Schachzeitschrift "Europe Echecs" schien alles plausibel. Zum einen war Johannes Paul II. mit dem bekannten polnischen Problemkomponisten Marian Wrobel (1907-1960) verwandt. Zum anderen waren zwei der Probleme in der Studentenzeitschrift "RSK" in Krakau erschienen, wo Wojtyla 1946 studiert hatte. Warum sollten sie also nicht vom neuen Papst stammen? Europe Echecs druckte daher mit besonderer Freude im Januar 1979 die Sensation mit Johannes Paul II. ab.

   Wenig später ging in der Redaktion dann sogar ein Brief vom Heiligen Vater höchstselbst ein! Die Franzosen dachten sich erneut nichts Böses - schließlich kam die Nachricht nicht aus der Hölle, sondern ja eigentlich aus himmlischen Sphären! Das beigelegte "bisher unveröffentlichte Schachproblem" wurde natürlich umgehend im April dem gläubigen Leser präsentiert. Der Papst schmückt schließlich noch mehr als irgendein Star.

   Die Vorfälle wiederholten sich 1987, als die englische Zeitschrift "The Problemist" einen Brief aus dem Vatikan bekam. Das Problem von Karol Wojtyla wurde selbstverständlich auch hier veröffentlicht - ob es am typischen britischen Humor lag, ist nicht überliefert. Das Schreiben hatte offenbar der französische Schriftsteller und Schachautor Fernando Arrabal eingesandt. Zu guter Letzt fiel sogar die ehrwürdige "Washington Post" auf die "Fakes" herein. Großmeister Larry Evans brachte in seiner Kolumne die Partie, die Johannes Paul II. 1946 gespielt haben sollte. Der Besuch seiner Gegnerin Wanda Zartobliwy, der Frau des maltesischen Botschafters, fand tatsächlich in Krakau statt.

   Der polnische Schach-Historiker Tomasz Lissowski wollte es aber genauer wissen und setzte - ungeachtet der geringen Hoffnung auf eine Antwort - einen Brief an den Heiligen Vater auf. Tatsächlich erhielt er sogar Post aus Rom! Auf einer Karte mit Madonna-Bild stellte der Papst handschriftlich gegenüber seinem Landsmann den Sachverhalt klar und nahm den Vorfall mit Humor. Nachstehend die Partie gegen Zartobliwy, die gut erfunden ist: Ein Duell zwischen zwei Hobbyspielern kann dermaßen hin und her wogen.

 










Zartobliwy, Wanda - Wojtyla, Karol [D01]
Erfundene Partie, angeblich von 1946

1.d4 d5 2.Sc3 Sf6 3.Lg5 Sbd7 4.Sf3 e6 5.e4 h6 6.Lh4 g5 7.Lg3 Sxe4 8.Sxe4 dxe4 9.Sd2 Lg7 10.h4 Lxd4 11.Sxe4 Lf6 12.hxg5 Lxg5 13.Sxg5 Dxg5 14.Lxc7 Dc5 15.Ld6 Da5+ 16.c3 Db6 17.Dd2 Sf6? 18.Df4? [18.Le5 gewinnt eine Figur.] 18...Sd5 19.De5 f6 20.Dh5+ Kd7 21.La3 Kc7 22.Df7+ Ld7 23.0-0-0 Tad8 24.c4 Sb4 25.Dxf6 Sxa2+ 26.Kb1 Db3 27.Le2 Lc6 28.Txd8 Txd8 29.Dxe6? [29.Df4+ Kc8 30.Th3 kostet den Springer auf a2.; nach 29.Th3 gewinnt hingegen Schwarz: 29...Le4+ 30.Ka1 Td1+ 31.Lxd1 Dxd1+ 32.Kxa2 Lb1+ 33.Ka1 Lc2+ 34.Ka2 Db1# ] 29...Sc3+ 30.Kc1 Sxe2+ 31.Dxe2 Td3?! 32.De7+ Kb6 33.Dc5+ Ka6 34.Db4 Da2?? [34...Dxb4 35.Lxb4 Lxg2 36.Txh6+ b6 mit schwarzen Remischancen.] 35.Txh6?? [35.Kc2 Td7 36.Txh6 und Schwarz kann das drohende Matt durch Db5 nicht mehr sinnvoll abwenden.] 35...Da1+ 36.Kc2 Dd1# Diese Rettung wäre das erste Wunder gewesen, das der spätere Papst vollbracht hätte ... 0-1

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