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Topalow peilt WM-Vereinigungsmatch an

Bulgare geht bei Schach-Weltmeisterschaft ungeschlagen durchs Ziel

von FM Hartmut Metz, 22. Oktober 2005

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Wesselin Topalow

Wesselin Topalow

 

   „Ich habe keine Angst vor dem Verlieren!“, benennt Wesselin Topalow den wichtigsten Unterschied zwischen sich und anderen Großmeistern. Die WM des Schach-Weltverbandes FIDE in San Luis war auch nicht dazu angetan, dem tollkühnen Bulgaren Angst einzubläuen. Der 30-Jährige blieb in der argentinischen Provinz ungeschlagen und deklassierte mit zehn Punkten aus 14 Runden die Konkurrenz um 1,5 Zähler. Außer mit einem Preisgeld von 300.000 US-Dollar wird dem neuen Weltmeister der Triumph mit einem Sprung in der Weltrangliste versüßt: Topalow überflügelt nicht nur die bisherige Nummer eins, Viswanathan Anand (Indien), sondern hat auch als erst dritter Spieler die magische Grenze von 2.800 Elo-Punkten durchbrochen. Das gelang bisher lediglich dem zurückgetretenen Garri Kasparow und kurzzeitig Wladimir Kramnik.

   Just die beiden Russen spielen die Hauptrollen in den Zukunftsplanungen des bisherigen Weltranglistenzweiten. „Aus kreativer Warte“ seien Zweikämpfe mit Kasparow und Kramnik „interessant“, verkündete Topalows Manager Silvio Danailow, um gleich nachzuschieben, dass „aus sportlicher Sicht“ kein Zweifel an der Überlegenheit seines Schützlings bestehe. Er habe in „überzeugender Manier beneidenswerte 6:0 Siege errungen“. Dass Kramnik mehr als zwei Siege in San Luis geschafft hätte, sei dagegen „nur schwer vorstellbar“. Den zweiten Weltmeister, der 2000 den von der FIDE abtrünnigen Kasparow bezwungen und den Konkurrenz-Titel erobert hatte, muss Topalow derzeit wohl kaum fürchten. Der gleichaltrige Widersacher befindet sich seit Jahren in einer Formkrise und rutschte in der Weltrangliste auf Platz sechs ab. Als Termin für ein millionenschweres WM-Vereinigungsmatch nannte Danailow November 2006.

   In Argentinien war Anand chancenlos gegen Topalow. In der letzten Runde remisierte der „Tiger von Madras“ gegen den St. Petersburger Peter Swidler. Beide kamen somit auf 8,5:5,5 Zähler. Dank der mehr errungenen Siege wurde Anand Vizeweltmeister und kassierte 220.000 statt 160.000 Dollar Preisgeld, die an seinen Mannschaftskameraden beim Bundesligisten OSC Baden-Baden flossen. „Es ist offensichtlich, dass Topalow in diesem Jahr der stärkste Spieler der Welt ist“, räumten beide neidlos ein. Ein weiterer Klassenunterschied tat sich zum Vierten auf, Alexander Morosewitsch (Russland/7:7), und dem enttäuschenden Ungarn Peter Leko (6,5:7,5). Zufrieden durfte Titelverteidiger Rustam Kasimdschanow sein. Der Weltranglisten-34. aus Usbekistan hielt gegen die bei dieser FIDE-WM versammelten Stars gut mit und blieb knapp vor Michael Adams (England/beide 5,5:8,5). Letzte wurde die weltbeste Frau, die Ungarin Judit Polgar (4,5:9,5).

   Anand, der ebenso wie Swidler an diesem Wochenende beim Bundesliga-Auftakt des OSC fehlt, spielte die spektakulärsten Partien in San Luis. Hier sein Sieg über Kasimdschanow.

 










Anand,V (2788) - Kasimdschanow,R (2670) [B90]
FIDE-WM, San Luis San Luis ARG (11), 10.10.2005

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.f3 e5 7.Sb3 Le6 8.Le3 Sbd7 9.Dd2 b5 10.0-0-0 Sb6?! [10...Le7 ist vernünftiger, um einerseits den König wegzurochieren und um andererseits am Damenflügel auch Optionen wie b4 und Tc8 rasch zu bewerkstelligen.] 11.Df2! Sc4 12.Lxc4 bxc4 Auf den ersten Blick sieht es so aus, als befände sich alles im Lot für Schwarz. Der Springer scheint sich zurückziehen zu müssen, und die geöffnete b-Linie verspricht Angriffschancen. 13.Sa5! Eine erste kleine unangenehme Überraschung. Der Springer ist tabu, weil nach Dxa5 14.Lb6 die Dame gewinnt. 13...Tc8?! [13...Sd7 14.Sc6 Dc7 15.Sb4 Db7 16.Sbd5 Tb8 17.b3 cxb3 18.axb3 führt zu Stellungen, die Anand neuerdings öfter im Sizilianer anstrebt. Die Positionen sehen wegen der aufgeweichten Bauernstruktur vor dem König gefährlich für Weiß aus - mit Virtuosität wehrt Anand jedoch regelmäßig die Attacken ab und funktioniert im Endspiel die Mehrbauern am Damenflügel zu Trümpfen um.] 14.Lb6 Dd7 15.g3 g6 16.Td2 Lh6 17.f4 Sg4?! Eine weitere Ungenauigkeit. [17...0-0 18.Thd1 Se8 19.Kb1 führt zu einem offenen Schlagabtausch.] 18.Df3 Tb8?! 19.h3! Sf6? Danach bricht die schwarze Stellung zusammen. Der erstaunliche Springerzug [19...Sh2! hält die Partie offen: 20.De3! Sf3! 21.Dxf3 (21.Tf2 Sd4! 22.Lxd4 exd4 23.Dxd4 0-0 24.Sd5 Lxd5 25.exd5 Db5 26.Sxc4 Lg7 27.Dd3 Lxb2+ macht die Lage für Weiß unersprießlich.) 21...Txb6 22.Sd5 Lxd5 23.Txd5 Da4 24.b3 cxb3 25.axb3 Da3+ 26.Kd2 ] 20.Lc5! exf4 21.gxf4 Tc8 [21...Sh5 22.Lxd6 Td8 23.Kb1 Lf8 24.Thd1 Lxd6 25.Txd6 Dxd6 26.Txd6 Txd6 27.f5 Lc8 28.Sd5 0-0 29.Sxc4 ist hoffnungslos für Kasimdschanow.] 22.Lxd6 Dd8 23.Lb4 Db6 24.a3 Anand hat alle Figuren zuverlässig gedeckt, die b-Linie gestopft und lässt vor allem den schwarzen Monarchen nicht aus der Brettmitte entschwinden, weil der König nicht über das angegriffene Rochade-Feld ziehen darf. 24...Sh5 25.Kb1 Lxf4 26.Sd5 Lxd5 27.Txd5 Lb8 [27...Dc7 28.Thd1 h6 29.Dc3 Tg8 30.Dd4 Sg7 31.Td7 und gegen das Turmschach auf e7 ist kein Kraut mehr gewachsen.] 28.Thd1 c3 [28...Sf4 29.Td7 Df6 30.e5 Lxe5 31.Sxc4 Se6 (31...Txc4 32.Da8+ ) 32.Db7 Td8 (32...Txc4 33.Da8+ ) 33.Txd8+ Sxd8 34.Dd7# ] 29.Td7 Kasimdschanow gab den ungleichen Kampf angesichts all der weißen Drohungen endlich auf. 1-0

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