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Verlängerung nach langem Geschacher

Schach-Weltmeisterschaft: Kramnik durch das 6:5 moralischer Sieger

von FM Hartmut Metz, 14. November 2006

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Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

 

   Der moralische Sieger nach zwölf Partien bei der Schach-Weltmeisterschaft heißt zweifellos Wladimir Kramnik. Sein Kontrahent Wesselin Topalow hielt zwar die letzte Turnierpartie am Donnerstagabend remis, aber das offizielle Resultat von 6:6 hat der Bulgare nicht verdient. Der Champion des Schach-Weltverbandes FIDE hatte das fünfte Duell wegen der Toiletten-Affäre kampflos gewonnen. Wegen der haltlosen Vorwürfe, Kramnik würde im Waschraum seines Ruheraums Computer-Hilfe nutzen und der folgenden Versiegelung des vertraglich zugesicherten Klos durch die FIDE, trat der Russe nicht an.

   Nach langer Verhandlungspause spielte der Weltmeister im klassischen Schach aber doch unter Protest weiter, um die Titelvereinigung zu ermöglichen. Das tatsächliche Endergebnis lautet daher, merkt nicht nur Kramnik an, 6:5 für ihn – zumal der Weltranglistendritte im fünften Durchgang mit Weiß kaum verloren hätte. So aber kam es gestern im kalmückischen Elista zur Verlängerung mit verkürzter Bedenkzeit (nach Redaktionsschluss dieser Seite).

   Im gesamten Wettkampf lag Topalow nur einmal kurz in Führung. Nachstehend der Sieg des bulgarischen Weltranglistenersten in der neunten Partie.

 










Topalow,Wesselin (2813) - Kramnik,Wladimir (2743) [D12]
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) (9), 07.10.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lf5 5.Sc3 e6 6.Sh4 Lg6 7.Sxg6 hxg6 8.a3 Ein bisher selten gespielter Zug. Üblich waren bisher [8.g3 Sbd7 9.Lg2 dxc4 10.De2 oder; 8.Ld2 ] 8...Sbd7 9.g3 Le7 10.f4!? Eine neue Idee, die durchaus logisch wirkt: Topalows Sekundant, der Spanier Francisco Vallejo Pons, baldowerte die Variante aus. Mit dem Zug unterbindet Weiß radikal das schwarze Gegenspiel, das mit dem Bauernvorstoß nach e5 verbunden ist. 10...dxc4 Das gibt wohl zu früh den Punkt e4 auf. [10...Tc8!? wartet ab, wohin Topalow seinen weißfeldrigen Läufer entwickelt.] 11.Lxc4 0-0 12.e4 b5? Der Zug scheint im Nachhinein zu riskant. Schwarz öffnet die Stellung, so dass später die gegnerischen Läufer besser zum Tragen kommen. Eine interessante Alternative ist das von der elektronischen Schachzeitschrift "Chess Today" vorgeschlagene [12...Sb6! 13.Le2 (Gewisse Gefahren birgt der Figurengewinn 13.La2?! c5 14.d5? exd5 15.e5 d4! 16.exf6 Lxf6 17.Se4 (17.Sb1 verliert sofort: 17...Te8+ 18.Kf2 d3 19.Te1 Dd4+ 20.Kg2 Sa4 21.Sd2 Sxb2 22.Lxb2 Dxb2 ) 17...Te8 18.Lb1 c4 19.0-0 d3 20.Sxf6+ Dxf6 21.Tf2 Dd4 22.Kg2 Te6 und der Anziehende kann sich nicht mehr rühren.) 13...c5 14.Le3 Dc7 15.Tc1 Tad8 16.0-0 cxd4 17.Sd5 Dd7 18.Sxe7+ Dxe7 19.Lxd4 Sxe4 20.Dd3 Sd6 und Schwarz hat keine Sorgen.] 13.Le2 b4 14.axb4 Lxb4 15.Lf3 Db6? [Mit 15...c5 könnte Kramnik wieder das starke Zentrum angreifen und auflösen. 16.e5 (16.Le3 Sb6 17.dxc5 Sc4 verspricht Topalow nicht viel.) 16...cxd4 17.Dxd4 Sd5! 18.Lxd5 Lc5 19.Dd3 exd5 20.h4!? (20.Sxd5 bringt nichts ein nach 20...Te8! (20...Sb6 21.b4! Ansonsten geht eine Figur verloren. 21...Dxd5 22.Dxd5 Lxb4+ 23.Dd2 a5 24.Ke2 Lxd2 25.Lxd2 Sc4 26.Ta4 Sxd2 27.Kxd2 Tfd8+ 28.Ke3 Td5 29.Tb1 mit leichtem Vorteil im Turmendspiel.) 21.Kf1 Sxe5! 22.fxe5 Txe5 23.Sf4 g5 24.h4! gxf4 25.Dxd8+ Txd8 26.Lxf4 Te7 ; 20.Dxd5 Te8 Droht Sxe5. 21.Kf1! Dc7 22.Kg2 Tad8 23.Df3 Sb6 und Schwarz erhält Spiel für den geopferten Bauern.) 20...d4 21.Se4 a5 22.h5 Db6 23.hxg6 Dxg6 24.Sxc5 Sxc5 25.Dxg6 fxg6 26.Ta3 Kf7 27.Ke2 Tfc8 (27...Ke6 28.Th7 Tf7 29.b4 ) 28.Td1 a4 29.Txd4 Sb3 30.Td7+ Ke8 31.Txg7 Kf8 32.Txg6 Txc1 33.Tb6 Tc2+ 34.Ke3 Txb2 35.Tb4 Sd2 36.Taxa4 Txa4 37.Txa4 Sf1+ 38.Kf3 Tb3+ 39.Kg4 Txg3+ 40.Kf5 Se3+ mit einer Remisstellung.] 16.0-0 e5 [16...c5? scheitert nun an 17.e5 cxd4? 18.Sa4 ] 17.Le3! [Vorschnell ist 17.fxe5? Sxe5 ] 17...Tad8 18.Sa4 Db8?! Topalow spielte in dieser Phase sehr schnell, während Kramnik recht orientierungslos wirkte. Später meinte er, dass er eigentlich schon hätte aufgeben können. Nur um sich eine Blamage zu ersparen, zog der Russe weiter. [18...Db7 ist noch besser, bedenkt man, dass Kramnik die Dame gleich doch auf dieses Feld zieht.] 19.Dc2 exf4? [Schön ist auch 19...exd4 nicht, aber eben doch zäher: 20.Lxd4 Sb6 21.Le3 Sxa4 22.Txa4 a5 23.Taa1 mit großem, wenn auch noch nicht entscheidenden Vorteil für Weiß.] 20.Lxf4 Db7 21.Tad1 Tfe8 22.Lg5 Le7 23.Kh1 Ein eher prophylaktischer Zug. Da Schwarz ohnehin nichts unternehmen kann, stellt Topalow den König auf eine sicherere Diagonale, um alle Tricks auszuschließen. 23...Sh7 24.Le3 Weil sich Kramnik bereits in Zeitnot befand, behält Topalow lieber mehr Figuren auf dem Brett, um die Chance auf einen Patzer in unübersichtlicher Stellung zu erhöhen. 24...Lg5 25.Lg1! Shf8 26.h4 Le7 27.e5 Sb8 Kramniks Figuren werden immer weiter zurückgeworfen, die Perspektiven schwinden. 28.Sc3 Lb4 Damit soll der drohende Vorstoß d5 verhindert werden. 29.Dg2 [29.d5 kommt zu früh: 29...Lxc3 30.bxc3 cxd5 31.Da2 Txe5 32.Dxa7 Dxa7 33.Lxa7 Sc6 34.Lb6 Td7 mit haltbarer schwarzer Stellung.] 29...Dc8 [Um mit 29...Se6 nicht 30.d5 cxd5 31.Sxd5 Db5 32.Le2 Da5 33.Lc4 Tc8 34.Ta1 Dd8 35.Lb5 zuzulassen.] 30.Tc1 Lxc3 31.bxc3 Se6 32.Lg4 Dc7 33.Tcd1 Sd7 34.Da2 Sb6 35.Tf3 Langsam zieht Topalow die Daumenschrauben an. Schwarz kann sich noch immer nicht rühren. 35...Sf8? Wirft die Partie sofort weg - aber Rettung war ohnehin keine in Sicht. 36.Tdf1 Te7 37.Le3 Sh7?! Im verzweifelten Bestreben, Lg5 zu verhindern, eröffnet Kramnik dem Gegner eine andere Möglichkeit. 38.Txf7! Sd5 [38...Txf7 39.Txf7 Dxf7 40.Le6+- mit Damengewinn.] 39.T7f3 [39.Le6! ist noch stärker. An Kramniks Aufgabe ändert dies freilich nichts.] 1-0

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