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Neue CDs für Taktik- und Gambitfreunde und historische Interessierte

von Harald Fietz, Dezember 2003

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George Renko: Tödliche Drohungen

ChessBase 2003, ca. 25 Euro
CD-ROM ISBN: 3-935602-83-9
Systemvoraussetzungen: Pentium-PC, 32 MB RAM, Win95/98/2000/ME/XP, CD-Laufwerk
Sprache: Deutsch, Englisch

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,0 aus 5

 

   ChessBase scheint für alle Kundenwünsche etwas parat zu haben. Drei Produkte für drei Zielgruppen, besser kann man Marktdiversifikation nicht umsetzen. Spezielles bieten alle.

 

3000 Antworten gefällig

   Taktikaufgaben sind wahrlich nicht das originellste Anliegen, doch der Amerikaner George Renko, Mathematiker und Schachtrainer mit einer US-Wertungszahl von knapp 1900, nimmt unter dem Blickwinkel "Tödliche Drohungen" einen reizvollen Aspekt unter die Lupe, das Einfädeln direkter Gewinnzüge. Doch die beiden Einführungstexte hätten - statt gleich mit Motiven loszulegen - zunächst den Präsentationsaufbau darstellen können. Aber wer sich nach einigem Herumklicken Peilung verschafft, der ist mit den Thematiken (vor allem Abzug, Mattdrohung, Materialgewinne und Bauernumwandlung) und insgesamt 3000 Aufgaben üppig bedient. Besondere Erhellung verschaffen die reichlich eingestreuten Studienaufgaben, die sonst weniger Beachtung finden, aber viele ästhetische Momente freilegen. Hier zwei leichte, gleichwohl lehrreiche Studien.

 










Kubbel 1936

1.De6 Dc7 2.Dd6 Dxd6 [ 2...Df7 3.Dg3#3.cxd6+-

 

 










Kalandadze 1983

1.Tg6 Th1+ [ 1...Td2+ 2.Kg3 Td3+ 3.Kh4 Td4+ 4.Kh5+- ; 1...Te1 2.Tg8+ Te8 3.Txe8+ Kxe8 4.Ta7+- ] 2.Kxh1 a1D+ 3.Tg1 Da2 4.Tg8+ Dxg8 5.Tb8++-

 

   Auch die Wahl von Partiebeispielen quer durch die Jahrzehnte gefällt. Die zusätzliche Unterteilung in Datensätze für Fortgeschrittene bzw. wenig erfahrende Spieler ist bisweilen nützlich. Den größten Lerngewinn erzielt man allerdings, wenn man einfach mit Zufallsprinzip die Datenbank "Alle Übungen" durchprescht. Angesichts der Quantität ist der Preis-Leistungsverhältnis gut; die wichtigste Kunden sind Spieler zwischen DWZ 1600 bis 2000, die eine volle Dosis elementarer Taktik abbekommen wollen. Spaß für einige Stunden garantiert!

 

 

Luc Henris: Albins Gegengambit

ChessBase 2003, ca. 20 Euro
CD-ROM ISBN: 3-935602-81-2
Systemvoraussetzungen: Pentium-PC, 32 MB RAM, Win95/98/2000/ME/XP, CD-Laufwerk
Sprache: Deutsch, Englisch

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 3,5 aus 5

 

Nicht ganz korrekt, aber nicht widerlegt

   Gambits unterteilen sich in die akzeptierten und die anrüchigen Eröffnungen. Albins Gegengambit steht, wie der belgische FIDE-Meister Luc Henris freimütig zugibt, eher in einem zweifelhaften Ruf: "In derartigen Stellungen wird jeder einzelne Fehler hart bestraft. Das ist der Hauptgrund, warum nur sehr wenig Großmeister das Risiko auf sich nehmen, solch ein Gambit zu spielen." Über das Argument kann man streiten, Fakt ist, dass über 3600 Partien eine ziemlich komplette Standortbestimmung erlauben. Und die aktuellen Jahre weisen aus, dass es zu 90 Prozent ein Ding für Amateure ist. 1.d4 d5 2.c4 e5 3.dxe5 d4 kennzeichnet das schwarze Konzept, welches dem Falkbeer Gegengambit des Königsgambits 1.e4 e5 2.f4 d5 3.exd5 e4 angelehnt ist, und auf zwei Ideen fußt: Einerseits die eigene Entwicklung durch Raum- und Diagonalenbesitz zu forcieren, anderseits den Anziehenden genau hierin einzuschränken. Nach 4.Sf3 Sc6 ergibt sich die Grundstellung. Weiß reagiert prinzipiell, entweder mit g3-Fianchetto oder mit Aufmarsch am Damenflügel (Sbd2, a3, b4, Lb2 u.U. Sb3), der manchmal am Königsflügel radikal unterstützt wird (h3 und g4). 25 Einführungstexte zeigen durch geschickten Multimedia-Einsatz die Eröffnungsprinzipien vorbildlich. Eine Trainingsdatei mit 29 Partien hilft beim "Hineinfühlen" auf neues Terrain.

   Die Schwarz-Seite vertraten schon namhafte Spieler im Praxistest (z.B. Keres, Ljubojevic, Speelman, Morosewitsch oder Krasenkow), aber keiner blieb lange bei der Stange. Daher ist ein Fingerzeig berechtigt, dass vor allem Clubspieler zwischen DWZ 1400 und 1900 einen Tummelplatz finden. Ein Frusterlebnis, wie es nachfolgend einem polnischen Spieler mit einer Spielstärke um 2100 passierte, muss man allerdings bisweilen einkalkulieren.

 










A. Karpov - P. Stoma
Albins Gegengambit [D08]
Koszalin (Simultan) 1997

1.d4 d5 2.c4 e5 3.dxe5 d4 4.Sf3 Sc6 5.a3 a5 6.Lg5 Le7 7.h4!? Lg4 8.Sbd2 h6 [ 8...Lxg5 9.hxg5 Sge7 10.Dc2 Sg6 11.0-0-0 De7 12.De4+/- ; 8...f6!? 9.exf6 Sxf6© Henris] 9.Lf4 Dd7 10.e3 dxe3?! [ 10...0-0-0 ] 11.fxe3 Td8 12.Db3 b6 13.0-0-0 f6 14.exf6 Sxf6 15.c5! Le6 [ 15...bxc5 16.Lb5+- ] 16.Lc4 Lxc4 17.Sxc4 De6 18.Sxa5 [ 18.Lxc7!? ] 18...Sd5 19.Db5! bxa5 20.Sd4 Dd7 21.Sxc6 Lf6 22.e4 0-0 23.Txd5 Dg4 24.g3 Txd5 25.exd5 Df3 26.Td1 Lxh4 27.Dd3 Df2 28.De3 Lxg3 29.Dxg3 Dxf4+ 30.Dxf4 Txf4 31.d6 1-0

 

Eine zweite Meinung: Rezension von Robert Miklos.

 

 

John Donaldson: Zwei Meister aus Seattle

ChessBase 2003, ca. 25 Euro
CD-ROM ISBN: 3-935602-82-0
Systemvoraussetzungen: Pentium-PC, 32 MB RAM, Win95/98/2000/ME/XP, CD-Laufwerk
Sprache: Texte deutsch, Partiekommentare englisch

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 3,5 aus 5

 

Harte, goldene Schachzeiten

   Über Biographien auf Silberscheibe rümpfen die Sammlerpuristen oftmals die Nase. Auf Deutsch und Englisch porträtiert der ebenfalls in der Micosoft-Heimat ansässige Schachjournalist IM John Donaldson zwei wenig bekannte Meister aus Seattle, Elmars Zemgalis und Olaf Ulvestad. Der englischen Teil über den aus Lettland stammenden Zemgalis (geb. 1923) erschien bereits 2001 mit dem Untertitel "Grandmaster without the Title". Es geht also um Schicksale zwei Spieler, die nach dem zweiten Weltkrieg zwar Profilspielerpotential hatten, aber bürgerliche Karrieren vorzogen.

   Zemgalis, der als "displaced person" in den alliierten Westzonen lebte und viele Turniere während des Neuaufbaus des west-deutschen Schachlebens erfolgreich bestritt (u.a. geteilter Sieg Oldenburg 1949), wanderte Anfang 1952 aus und machte eine typisch amerikanische Karriere: Als über 30-Jähriger vom Mathematik-Studium in Abendkursen bis zum Mathematik-Professor. Schach und gesellschaftliches Umfeld werden faktenreich ausgeleuchtet, schärfere Konturen zum Schachstil vermisst man.

 










E. Zemgalis - P. Tröger
Pirc-Verteidigung [B07]
Augsburg 1946

1.e4 d6 2.d4 Sd7 3.Sf3 g6 4.Lc4 Lg7 5.Lxf7+ Kf8 6.Sg5 Sdf6 7.Sc3 Dd7 8.Le6 De8 9.Lxc8 Dxc8 10.e5 dxe5 11.dxe5 Sg4 12.Df3+ Df5 13.Dxf5+ gxf5 14.f4 c6 15.h3 S4h6 16.Le3 Ke8 17.0-0-0 Lf8 18.Se6 Tc8 19.Lxa7 Sf7 20.Lb6 Lh6 21.Sc7+ Txc7 22.Lxc7 Lxf4+ 23.Kb1 Lxe5 1-0

 

   Zeitgeist kommt gleichfalls bei Ulvestad rüber (geb. 1912 im nahen Tacoma als Nachkomme norwegischer Vorfahren). Seine Schilderung "Könige und Bauern in Sowjetrussland" anlässlich des Moskauer Matchs UdSSR-USA ist absolut lesenswert. Dabei bot er mit 1:1 dem WM-Anwärter David Bronstein Paroli.

 










D. Bronstein - O. Ulvestad
Spanisch [C86]
Moskau (Match UdSSR-USA) 1946

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.De2 White sidesteps the Open (5.0-0 Nxe4), Archangel (5.0-0 B5 6.Bb3 Bb7) and the Closed (5.0-0 Be7) variations. 5...b5 6.Lb3 Le7 7.c3 0-0 8.0-0 d6 9.d4 [ A more flexible alternative is 9.a4 ] 9...Lg4 10.Td1 exd4 11.cxd4 d5 12.e5?! [ On Bronstein's suggestion of 12.exd5 Black shouldn't play 12...Sb4?! ( 12...Sa5! 13.Lc2 Te8 14.Sc3 Lb4 15.Dd3 Lh5=/+ Suetin-Holmov, USSR ch. 1954.) 13.h3 Bronstein] 12...Se4 13.Sc3 Sxc3 14.bxc3 Dd7 [ 14...f6? 15.h3 Lh5 16.g4 Lf7 17.e6+/- Lasker-Teichmann, St. Petersburg 1909.] 15.h3 Lh5 16.Lc2 [ According to theory a better try for White is 16.g4 Lg6 17.Lg5 although Black still has a very nice game after 17...Lxg5 18.Sxg5 f6 19.exf6 Txf6 20.Se4 Lxe4 21.Dxe4 Se7 22.Te1 Tf7 Holmov-Podgaets, USSR Ch. 1970.] 16...Lg6 17.Se1 Sd8 18.Sd3? Inconsistent. In this position, which bears a close resemblance to the Open variation of the Ruy Lopez, both sides should be striving to mobilize their pawn majorities. That is, White should be aiming for f4 and Black for ...c5. 18...Se6 19.a4? Playing on the wong side of the board. Correct was again f4. 19...Dc6! 20.Lb2 [ 20.Ld2? Sxd4 ] 20...Dc4! With the strong threat of ...Nf4. 21.a5 This move is unfortunately necessary, but removes any possibilities of White counterplay on the queenside. 21...c5 22.dxc5 Sxc5 23.La3 Tfe8 24.Lxc5 Lxc5 25.Dd2 La7 26.Sb2 Dh4 27.Lxg6 hxg6 28.Sd3 d4 29.Tac1 Tac8 [ 29...dxc3 30.Dxc3 Tad8 31.Dc6<=> ] 30.cxd4 Lxd4 31.Txc8 Txc8 32.e6?! [ 32.De2 Tc6-/+ ] 32...fxe6 33.De2 Df6 34.De4 e5 35.Kh2 Tc4 36.Td2 Lc3 37.Dd5+ Kh7 38.Td1 e4 39.Sc1 Lxa5 40.Kg1 Lb6 41.Kh1 Dxf2 0-1

 

   In Europa spielte er in den 60er Jahren einige Turniere (u.a. die Olympiade in Siegen als Spitzenbrett für Andorra!). Abwechslungsreiche Jahre ziehen also auch hier Revue. In der Megabase 2003 finden sich 46 Zemgalis-Partien und 203 Ulvestad-Partien. Auf der Donaldson-CD sind 190 Begegnungen von Zemgalis (40 kommentiert) und 336 von Ulvestad (39 kommentiert). Daher werden Schachliebhaber, die gerne historische Kontexte zusammenpuzzeln, - neben zahlreichen Originalquellen und Bilddokumenten - noch manche interessante Zugfolge bergen.

 

Eine zweite Meinung: Rezension von Peter Oppitz.

 

 

die Rezension erschien zuerst in Schachmagazin 64, Nr. 23 / 2003, S. 644
die CDs stellte ChessBase, Mexikoring 35, 22297 Hamburg, für die Rezension zur Verfügung


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