In Etappen zum Taktikkönner Gambit-Verlag legt Kombinationswissen für den Anfänger bis zum Vereinsspieler vor Rezension von Harald Fietz, April 2004 Kommentare zur Rezension können im Schach-Forum präsentiert werden |
Wer sich jemals mit einem der gängigen Schachprogramme gemessen hat, der weiß, dass das Bonmot stimmt: "Schach ist zu 99 Prozent Taktik!" Zu oft melden sich sarkastische Stimmen oder nerven Menüfenster, die selbst in scheinbar ruhigen, ausgeglichenen Stellungen einen kombinatorischen Hacken verkünden. Die Erfahrung offenbart, dass es gut ist, schon im frühen Schachalter viele Elemente des taktischen Baukastens zu erlernen. Taktikbücher gibt es zuhauf, doch nicht immer ist offensichtlich, welche Alters- und Spielstärkegruppe den optimalen Nutzen daraus zieht. Ohne es als spezielle Reihe auszuweisen, hat der Londoner Gambit-Verlag in den vergangenen beiden Jahren vier didaktisch aufeinander abgestimmte Publikationen vorgelegt. Inhaltlich spannt sich dies von grundlegenden Manövern bis zu Figurenopfern als Teil der Angriffsführung gegen den König.
Gambit 2003
ISBN 1-901983-99-4
128 Seiten; ca 16
Bewertung des Rezensenten:
Für die Jüngsten gibt es in kindgerechtem Hardcover-Band "Chess Tactics for Kids". Nach dem Verkaufserfolg von "How to beat your dad at chess", was unter dem vergleichsweise faden Titel "Erfolg im Schach" ins Deutsche übersetzt wurde, legt Murray Chandler hier erneut einen Band mit der Einführung in 50 grundlegende Kombinationsschemata vor. Zu jedem Typus gibt es drei Übungen, die mit jeweils zwei Diagrammen und Pfeildarstellungen visualisiert werden. Die Einführungstexte sind für Vorschul- und Grundschulalter und entsprechend witzig und bisweilen mit Aktionsvokabular versehen (z.B. die Kamikaze-Dame oder der selbstmörderische Turm). Aber natürlich geht es hauptsächlich um das Zusammenwirken von Figurenpaaren. Am Ende kommen 54 Übungsaufgaben ohne thematische Zuordnung. Die Zielgruppe sind Anfänger bis zu DWZ 1300. Für deutsche Käufer, die einem schachinteressierten Kind ein Geschenk machen wollen, muss ein weiteres Argument angeführt werden. Im Kontext der PISA-Studie wurde - speziell für Deutschland - eine frühe Sprachförderung thematisiert und angemahnt. Die sensible Phase für den grundlegenden Erwerb von Sprachkompetenz beginnt bereits ab dem siebten Lebensmonat und dauert bis zum siebten Lebensjahr, in abgeschwächter Form bis zehn Jahre. Eltern, Großeltern und andere Verwandte können ihren Kleinen also einen doppelten Gefallen machen.
Eine zweite Meinung: Rezension von Judith Hönecke.
Gambit 2002
ISBN 1-901983-80-3
128 Seiten; ca 15
Bewertung des Rezensenten:
Gleiche Aufmachung, gleicher Umfang, teilweise etwas komplexere Beispiele (z.B. Bedeutung von Vorposten) und psychologische Tipps gibt es - wie eben erwähnt - unter der Verpackung "Erfolg im Schach". Dieser und die nächsten beiden Bücher sind allerdings kartonierte Ausgaben. In der Übersetzung bleiben alle Erläuterungen korrekt in der Sie-Form, gerichtet an Spielstärken bis DWZ 1400. Eigentlich schade, dass uns Deutschen - ähnlich wie häufig in der Werbebranche - so wenig Spaß bei ernsten Angelegenheiten zugetraut wird. Sicher hätte nicht jeder unter der Ankündigung "Wie Du Deinen Vater beim Schach verprügelst" eine gewalttätige Gebrauchsanweisung zur Überwindung eines Ödipuskompex verstanden. Gewiss verdeutlicht ein solcher Titel aber besser, an welchen Käuferkreis gedacht ist - nämlich den Spieler, der über den Hausgebrauch hinaus dem königlichen Spiel frönen will. Wer sich diesen 128 Seiten unterzieht, der wird in seinem Verein sicher bald eine bessere Figur machen und manches Klötzchen vielleicht etwas geräuschvoller auf die Felder der gegnerischen Stellung preschen lassen.
Gambit 2004
1-901983-98-6
160 Seiten; ca 20
Bewertung des Rezensenten:
Grundlagen sind für den Anfang gut, doch im späteren Schachleben stellen die Gegner immer seltener die Figuren so auf, dass eine offensichtliche Taktik greift. Mit dem schlichten Titel "Learn Chess Tactics" widmet sich John Nunn, neben einigen grundlegenden Wendungen (Gabeln, Fesselungen, Ablenkung usw.) auch den anspruchsvolleren Elementen (öffnen oder schließen von Linien, der Rolle von Bauernumwandlungen, defensive Rettungen, Zwischenzügen usw.). 160 großformatige Seiten mit reichlich Texterläuterungen künden, dass hier mehr Arbeit verlangt wird. Neben Einführungsabschnitten und Aufgaben mit Hinweisen in jedem Kapitel wird letztlich - anhand von Beispielen aus der jüngeren, anspruchsvollen Turnierpraxis - mit 66 Stellungen eine Abschlussprüfung vorgenommen. Die Auflösungen sind prägnant erklärt, da es bei den Kandidatenzügen vielfach auf genaue Abwägung und Ausschalten von Fallen ankommt. Besonders gefällt, dass viele Stellungen weniger bekannt sind, obwohl zumeist Topspieler agieren. Schachfreunde zwischen DWZ 1400 bis 1800 sollten den größten Erkenntnisgewinn erzielen. Für Mitte 2004 ist eine deutsche Übersetzung angekündigt.
Gambit 2003
ISBN 1-904600-03-4
224 Seiten; ca 25
Bewertung des Rezensenten:
Sind bei Chandler und Nunn Mustererkennungen aus Diagrammpositionen angesagt, so widmet sich David LeMoir dem Einsatz von Taktiken innerhalb von Angriffsplänen. Da eignen sich ganze Partien besser und LeMoir findet - wie schon in seinem Buch "Wie man Glück im Schach hat" (siehe Rezension) - eine brauchbare Systematik zu Thematiken, die vor allem den gewieften Vereins- und Open-Spieler interessieren. Es geht um die ewige gleiche Suche: Wie kann eine Angriffsführung - eingeleitet von einem Figurenopfer - konsequent vollendet werden? Die Unterteilung in Pläne am Damen- und Königsflügel sowie im Zentrum ist sinnvoll, um die von Leichtfigurenopfern initiierten Alles-oder-nicht-Zugfolgen zu charakterisieren. Herausgekommen ist eine kompakte Schau des Läufers auf b5, e6, f7, h6, h7 usw. bzw. des Springers auf b5, d5, f5, e6, f7, g7 usw. Sicher haben viele Spieler Bedarf, - erstmals oder wieder einmal - die Prinzipien für Aktionen auf "einschlagsträchtigen" Feldern zu durchdenken. Die Partienauswahl balanciert gut zwischen vielpublizierten und weniger bekannten, zwischen aktuellen und klassischen Begegnungen. Das Wort hat gegenüber den Zügen die Oberhand, weshalb passables Schulenglisch notwendig ist. Wer aber Taktikfeinheiten auf dem Level bis DWZ 2100 auslotet, wird bestimmt mal ein internationales Turnier spielen, wo er sich in der weltweiten Schachsprache verständlichen will. Anregend sind zudem die vielen sinnreichen Überschriften und ehrlich die Abschnitte, in denen gezeigt wird, wie ein Angriff auch verpuffen kann. Mit 224 Seiten und kleinem, aber lesbarem Druck erwirbt man ein Werk, auf welches das Prädikat "seinen Preis wert" geklebt werden sollte. Hier zum Abschluss in eigener Übersetzung eine lehrreiche Partie. Es ist eines der weniger ausführlichen Beispiele. Trotzdem zeigt es anschaulich, warum die Erfolgsspur nicht erreicht wurde. Machen Sie es nach dem Studium besser!
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Ivanovic,B (2515) - Sokolov,A (2505) [B85]
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Eine zweite Meinung: Rezension von Jennifer Sdunzik.
die Rezension erschien zuerst in Schachmagazin 64, Nr. 6 / 2004, S. 163
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Die Rezensionsexemplare stellte die
Firma Niggemann
(Industriestraße 10, 46359 Heiden) zur Verfügung.