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"Leben als Schach-Profi zu unsicher"

Rekordnationalspieler Wolfgang Unzicker wird morgen 80 (zweiter Teil)

von FM Hartmut Metz, 25. Juni 2005

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Wolfgang Unzicker

Wolfgang Unzicker

 

   Wolfgang Unzicker feiert morgen seinen 80. Geburtstag (Fortsetzung der Trilogie über den 386fachen deutschen Schach-Rekordnationalspieler). Trotz seines hohen Alters spielt der Großmeister immer noch in der Oberliga beim SC Tarrasch München am ersten Brett. Ganz von den 32 Figuren will der pensionierte Richter auch nicht lassen. "Man muss sich bewusst sein, dass es in meinem Alter mit den Erfolgen vorbei ist", erläutert Unzicker die Philosophie, die ihm die Freude auf den 64 Feldern erhält.

   Der vieljährige Bundesrechtsberater des Deutschen Schachbundes verschrieb sich hauptberuflich der Juristerei. "Ich hatte nie das Gefühl, ich sollte Schach-Profi werden: Mir schien es im Westen zu unsicher. Zweitens wollte ich mein Leben nicht nur dem Schach widmen", erläutert Unzicker. Trotzdem feierte er als zeitweilig weltbester Amateur schöne Erfolge. Den geteilten ersten Platz mit Boris Spasski in Sotschi 1965, die Siege 1967 in Maribor und Krems sowie die Bronze-Medaille bei der Olympiade (der Mannschafts-WM im Schach) 1964 in Tel Aviv zählt der rüstige Unzicker zu seinen "Turnieren, auf die ich stolz bin". Aber auch den geteilten Rang vier mit Lajos Portisch 1966 beim Piatigorsky-Cup in Santa Monica wertet der Münchner als eine seiner herausragenden Stationen. Zwar hinter Boris Spasski, Bobby Fischer und Bent Larsen, aber, "das war sehr wichtig, vor Weltmeister Tigran Petrosjan".

   Mit zehn Jahren erlernte der kleine Wolfgang von seinem Vater, der von Beruf Gymnasiallehrer war, das Spiel eher zufällig. Der Sohn wollte kein Außenseiter sein. Sein vier Jahre älterer Bruder, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs an der Ostfront fiel, konnte es schon. Auch zwei gleichaltrige Freunde waren in den Sommerferien 1935 mit Eifer dabei. Bei der Olympiade 1936 in München fing Unzicker endgültig Feuer (letzter Teil in der nächsten Schachspalte). Nachstehend kommentiert Unzicker den einzigen Sieg über seinen Freund Paul Keres in Moskau 1956.

 










Unzicker,Wolfgang - Keres,Paul [C99]
Aljechin-Gedenkturnier Moskau (10), 1956
[Unzicker/Tschechow]

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sa5 10.Lc2 c5 11.d4 Dc7 12.Sbd2 cxd4 Eine alte Variante, die an Beliebtheit verlor, als sich herausgestellt hatte, dass die Öffnung der c-Linie eher für Weiß günstig ist. 13.cxd4 Sc6 14.Sb3 Lb7 15.Lg5 [15.d5!? Sa5 16.Sxa5 Dxa5 17.a4 Tfc8 18.Ld3 Sd7 19.Lg5+/- Larsen-Keres/Zürich 1959 (Tschechow)] 15...h6 16.Lh4 Sb4 [16...Sh5 17.d5 Sd8 18.Lxe7 Dxe7 19.Sfd4+/- Bronstein-Keres /Amsterdam 1956 (Tschechow)] 17.Lb1 Tac8 18.Te2 Sh5 19.a3 Sc6 [19...Lxh4? 20.Sxh4 Dd8 21.Sf5 Sc6 22.Td2 ] 20.d5 Sb8 [20...Sd8? 21.Tc2 Dd7 22.Sxe5! (Tschechow)] 21.Tc2 Dd8 22.Sa5 Führt zu interessanten Wendungen [22.Lxe7 Dxe7 23.Sa5+/= (Tschechow)] 22...Txc2 [22...Dxa5 23.Lxe7 Tfe8 24.Lxd6+- ; 22...Lxh4 23.Sxb7 De7 24.Sxh4 Dxh4 25.Txc8 Txc8 26.Sxd6+- ; 22...La8 23.Txc8+- (Tschechow)] 23.Sxb7 [23.Lxc2 La8 24.Lxe7 Dxe7 25.Tc1+/= (Tschechow)] 23...Dc7 24.Dxc2 [24.Lxc2!? Dxb7 25.Sxe5 Lxh4 26.Dxh5 Lxf2+ 27.Kxf2 dxe5 28.Dxe5 Db6+ 29.Kf1 Tc8 30.Ld1 Sd7 31.Df5+/- (Tschechow)] 24...Dxb7 25.Lxe7 Tc8 [Ich beabsichtigte auf 25...Dxe7 26.La2 zu spielen und die c-Linie zu besetzen. Keres behagte dies offensichtlich nicht, daher der Textzug] Die schwarze Absicht ist klar. Er will nach dem Wegzug der weißen Dame den Le7 schlagen, ohne dem Gegner die c-Linie überlassen zu müssen. Der Textzug lässt indessen eine Entgegnung zu, gegenüber der die Besetzung der c-Linie das kleinere Übel gewesen wäre. 26.Lxd6! Diesen Zug hatte Keres zwar gesehen, aber unterschätzt. 26...Txc2 27.Lxc2 Ich hatte mich zu dem Damenopfer, sobald ich es gesehen hatte, entschlossen. Allzu langes Überlegen erschien mir ohnehin nicht mehr angebracht, da meine Bedenkzeit schon etwas knapp war. Als nach meinem 27. Zug Großmeister Najdorf meine Stellung ansah, zog er die Augenbrauen hoch und flüsterte mir anerkennend zu: "Wolfgang, das haben Sie ausgezeichnet gemacht, aber bleiben Sie sitzen, Sie haben nicht mehr viel Zeit." Weiß steht, materiell gesehen, nicht schlechter. Turm, zwei Läufer und ein Springer und ein Bauer sind nicht, oder bleiben wir vorsichtig, kaum schwächer als Dame und zwei Springer. Dazu kommt noch, dass Weiß einen starken Freibauern auf d5 besitzt. Weiß steht daher zweifellos besser. 27...f6 28.Lb3 Sf4! Ein wichtiger Zug, der 29.Ta1-c1 verhindert. 29.Td1 Sd7 30.Td2 Um mit dem Turm über c2 auf der c-Linie einzudringen. 30...Sb6 31.Lc7?! Mehr elegant als stark. [Der einfachere und bessere Zug war 31.Lb4! Sc4 32.Tc2!? (32.d6 Dd7 33.Tc2 a5! 34.Lxa5 (34.Lc5 Se6 ) 34...Dxd6 ) ] 31...Sc4 32.d6 Se6 33.La5! Sc5? Verschlechtert die Lage des Schwarzen. Keres will den Springer zurück nach d7 bringen und diese Figur zur Blockierung des weißen Freibauern verwenden. Dieser Gedanke ist an sich richtig, doch berücksichtigt er in dieser Stellung die dem Schwarzen in der Diagonale a2-g8 drohende Gefahr zu wenig. [Deshalb wäre 33...Dd7 besser gewesen. Die lakonische Behauptung im Turnierbuch, dass Schwarz sich nach 34.Lxc4 bxc4 "erfolgreich verteidigen könnte", wird jedoch der Stellung nicht gerecht. Es lässt sich zwar kein forcierter Gewinn für Weiß nachweisen, aber wenn überhaupt jemand Gewinnchancen gehabt hätte, so wäre das der Anziehende gewesen. Die Notwendigkeit, den weißen Freibauern durch die schwarze Dame zu blockieren, wäre für die schwarze Stellung schon eine schwere Hypothek gewesen. Dazu kommt noch die Schwäche des Bauern c4. Weiß hätte jetzt am besten mit 35.Lb4 fortgesetzt. Hätte Schwarz daraufhin 35...Sf4 mit der Absicht Sd3 gespielt, so hätte 36.Se1 folgen können. Nach 36...Kf7 37.Sc2 Sd3 38.Se3 wäre Weiß fraglos im Vorteil gewesen, zum Beispiel: 38...a5 (38...Dc6 39.b3! cxb3 (39...Sxb4 40.d7!+- ) 40.Txd3 b2 41.Td1 Dc1 42.d7+- ) 39.Sxc4! ] 34.Lb4! Sd7 [Natürlich nicht 34...Sxb3?? wegen 35.d7+- ] 35.Tc2 a5 Mit diesem Bauernopfer, mit dem Schwarz offensichtlich den weißen Damenläufer von der Deckung des Bd6 ablenken wollte, wird die schwarze Lage rasch hoffnungslos. [35...Dc6 36.Sd2 Sdb6 37.a4+/- ; 35...Dxe4 36.Sd2 ; Aber auch nach der besten Verteidigung 35...Kh7 36.Lxc4 bxc4 37.Sd2! hätte Schwarz auf Dauer unterliegen müssen. (‹37.Txc4 a5 38.Lxa5 Da6 ) ; auch nach 35...Sdb6 36.Sd2 Kh7 37.Sxc4 bxc4 38.Lxc4 Dxe4 39.Lb3 hätte die Stärke des weißen Läuferpaares und des Freibauern schließlich die Partie entschieden. So hätte beispielsweise folgen können: 39...Dd3 40.Tc3 Db1+ 41.Kh2 Dxb2 42.Lc2+ Kg8 (42...g6 43.Tc7+ Kg8 44.Lc5! Dxc2 45.Lxb6 nebst d6-d7) 43.d7! Sxd7 44.Lg6 Sb6 45.Td3 mit Gewinn] 36.Lxa5 Dxe4 37.Sd2! Dd3? Ein Versehen in verlorener Stellung. Andere Züge helfen aber auch nicht mehr [37...De1+ 38.Kh2 Dxf2 39.Sxc4 Df4+ 40.g3+- ; ebenso würde 37...Dd4 nichts am Ausgang der Partie ändern, z. B. 38.Sxc4 bxc4 39.Txc4 Dxb2 40.Tc3+ Kh7 41.Le6 Db5 42.Lb4+- ] 38.Txc4! Kh7 Schwarz verliert seine Dame, ganz gleich, was er spielt! 39.Lc2 1-0

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