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"Quatsch und Dreck" bescheren Erfolg

Der Russe Alexander Morosewitsch ist ohne Schachfiguren überragend

von FM Hartmut Metz, 22. April 2006

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Alexander Morosewitsch

Alexander Morosewitsch

 

   Beim Amber-Turnier in Monaco gleichen sich die Bilder der vergangenen Jahre: Im Schnellschach dominiert Viswanathan Anand. Der Inder in Diensten des OSC Baden-Baden legte mit acht Punkten in elf Runden 1,5 Zähler zwischen sich und die Verfolger. Der neue Weltranglistendritte Levon Aronjan und Weltmeister Wesselin Topalow teilten sich den zweiten Platz. In der Gesamtwertung gingen ebenfalls zwei Akteure Brust an Brust über die Ziellinie: Anand und Alexander Morosewitsch verbuchten 14,5:7,5 Punkte. Den Schnellschach-Wettbewerb schloss der Russe zwar mit einer negativen Bilanz (5:6) ab – das Manko glich der 28-Jährige jedoch in der zweiten, für Laien spektakulären Disziplin aus: Im Blindschach, bei dem die zwölf Koryphäen auf ihren Laptops nur den letzten Zug auf einem ansonsten leeren Brett sehen, holte Morosewitsch sensationelle 9,5:1,5 Punkte. Mit drei Zählern Abstand folgten Anand und der Spanier Francisco Vallejo Pons.

   Eine Erklärung für den Rekord bei der 15. Auflage des Turniers in Monaco blieb der Weltranglistenachte schuldig. „Keine Ahnung. Ich genieße es jedenfalls, blind zu spielen“, äußert Morosewitsch. Allergisch reagiert der inoffizielle Blindspiel-Weltmeister auf die Frage, ob die Erfolge in dieser Sparte mit seinem ungewöhnlichen Stil und den abseitigen Eröffnungen zusammenhängen. „Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen“, erklärt Morosewitsch genervt und befindet, „andere spielen noch extravaganter als ich!“

 

Alexej Schirow

Kreativ: Alexej Schirow

 

   Seine Kollegen sehen dies indes anders: Anand bescheinigt Morosewitsch auch „außergewöhnliches Talent“. Die Blindspiel-Erfolge fußten jedoch auf dessen „Stil: anormales Schach mit viel Quatsch. Das macht’s ohne Figuren für die Gegner besonders schwer“, urteilt der Inder. Noch drastischer formuliert Loek van Wely grinsend die Vorzüge des Blindspiel-Siegers: „Den Dreck kann sich natürlich keiner merken, während er ihn im Kopf hat! Er und Schirow sind sehr kreativ. Die überlegen Dinge, an die ein normaler Spieler gar nicht denkt – und das alles im Blindschach, das ist zu viel.“ Das dürfte Peter Leko auch nach der neunten Blindspiel-Runde gedacht haben.

 










Leko,Peter (2740) - Morosewitsch,Alexander (2721) [B47]
Amber Blindturnier Monte Carlo MNC (9), 28.03.2006

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.g3 a6 7.Lg2 d6 8.0-0 Ld7 9.a4 Das weiße Fianchetto-System reduziert die Gefahr, den im Sizilianer so oft üblichen taktischen Schlagabtausch mitmachen zu müssen. Leko setzt auf eine ruhigere Spielweise mit leichtem Raumübergewicht. 9...Sxd4 10.Dxd4 Se7 11.b3 Die Idee, anschließend mit La3 Druck auf d6 zu erzeugen, erweist sich letztlich als nicht nachhaltig genug. Mehr wiegt, dass der Springer auf c3 entwurzelt wird und so Schwarz Gegenspiel auf der c-Linie erhält. [11.Le3 Sc6 12.Db6 Dxb6 13.Lxb6 Se5 14.Ld4 Sc4 15.Se2 beschert Weiß ein leichtes Plus.] 11...Sc6 12.Dd2 Le7 13.La3 Tc8 14.Se2 [14.Tad1 Se5 15.Se2 Dxc2 16.Lxd6 Dxd2 17.Txd2 Lxd6 18.Txd6 Ke7 19.Tfd1 Tc2 20.T6d2 Txd2 21.Txd2 führt zum Ausgleich.] 14...b5! 15.axb5 axb5 16.Tfd1 b4 17.Lb2 [17.Lxb4 Sxb4 18.Dxb4 Dxc2 19.Sd4 Dc5 20.Db7 Dc7 21.Dxc7 Txc7 22.Ta8+ Ld8 23.Lf1 0-0 24.Ta6 Le7 25.b4 e5 26.Sf5 Lxf5 27.exf5 Tb8 28.b5 und nur Schwarz muss angesichts des gefährlichen b-Bauern auf der Hut sein.] 17...e5 18.Sc1? [18.c4! bxc3 Alle anderen Fortsetzungen führen zu lang anhaltenden positionellen Nachteilen wie den schwachen b- oder den rückständigen d-Bauern. 19.Sxc3 Sb4 20.Lf1 0-0 21.Sb5 Db6 (21...Lxb5 22.Lxb5 Sc6+/- ) 22.Sxd6 Tc2 23.Sc4 Dc5 24.De1 (24.Dxd7?? Dxf2+ 25.Kh1 Dxh2# ) 24...Lg4 25.Tdc1 Le6 26.Ta5 Txc1 27.Dxc1 Dc6 28.Txe5 (28.Sxe5 Dxc1 29.Lxc1 Lxb3 30.Tb5 Le6 31.La3 Sc6 32.Lxe7 Sxe7 33.f4+/- ) 28...Td8 29.De3 Td1 30.Df3 Tb1 31.Dc3 Droht 32.Txe6. 31...f6 32.Ta5 Dxe4 33.Sd2 Txf1+! 34.Sxf1 Sd3 35.Dc2 Ld5 36.Txd5 Dxd5 37.Se3 De4 38.La1 Lc5 39.Dc4+ Dxc4 40.bxc4 mit guten Gewinnchancen im Endspiel.] 18...Lg4 19.Te1 0-0 20.Sd3 Tb8 21.Ta4 Tfc8 22.Sxb4 Sxb4 23.Txb4 Txb4 24.Dxb4 d5! 25.Dd2?! [25.Db5!? d4 26.Tc1 Ta8 27.h3 Ld7 28.Dd3 Ta2 29.Tb1 Lb4 30.Dc4 Db6 31.Lf1= ] 25...Dxc2 Damit übernimmt Morosewitsch das Kommando. 26.Dxc2 Txc2 27.Lxe5 Lc5 28.Tf1 d4 29.b4 Lb6 30.Lf4? [30.h3! scheint noch zu reichen mit einer Reihe von präzisen Zügen. 30...Le2 31.Ta1 f6 32.Ld6 Kf7 (Das voreilige 32...d3? 33.e5! droht plötzlich Ungemach gegen den schwarzen König. 33...Tc8 34.Lb7 Te8 35.Ld5+ Kh8 36.Lc6 Tc8 37.e6! d2 38.e7 Ld4 39.Tb1 d1D+ 40.Txd1 Lxd1 41.e8D+ Txe8 42.Lxe8 Lf3 43.b5 und Weiß verwertet den Mehrbauern.) 33.e5 Ke6 34.Le4 d3 35.exf6 Kxd6 36.fxg7 Tc8 37.Lxd3 Lxd3 38.Td1 Kd5 39.Txd3+ Ld4 40.Kg2= ] 30...d3 31.h3 Le2 32.Ta1 g5! Macht dem König mit Tempo ein Luftloch. 33.Lxg5 d2 34.Lxd2 Txd2 35.e5 Ld3 36.g4 Ld4 37.Ta8+ Kg7 38.Lc6 Txf2 39.Td8 Lb6 40.Tb8 [Der Läufer ist tabu: 40.Txd3 Td2+ 41.Kf1 Txd3 ] 40...Le3 41.b5 Lf1! Knüpft überraschend trotz der reduzierten Figurenzahl ein hübsches Mattnetz. 42.h4 [42.Kh1 rettet Weiß auch nicht: 42...Lxh3 43.b6 Lf4! und das drohende Matt durch Tf1 kann nur noch durch 44.Lg2 aufgeschoben werden.] 42...Tf3+ und nach dem Abzugsschach setzt Schwarz anschließend durch Th3 matt. 0-1

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