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Modernes Schach

Robin Smith: Modern Chess Analysis

Rezension von Robert Miklos, Dezember 2004

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Robin Smith: Modern Chess Analysis

Gambit 2004
Format 24,6x17,0 cm
176 Seiten, 16 Pfund
ISBN: 1-904600-08-5
Sprache: Advanced English

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,5 aus 5

 

   Das Buch fängt mit einem Zitat an: "Computer sind unglaublich schnell, genau und dumm; Menschen sind unglaublich langsam, ungenau und genial; zusammen sind sie unvorstellbar stark" - dazu die Fußnote "Anonym. Dieses Zitat wurde Albert Einstein zugeschrieben. In Anbetracht der Enwicklung der Computer zu Einsteins Zeiten und der Tatsache, dass Einstein-Zitate häufiger sind als Elvis-Sichtungen, finde ich dieses Zuschreibung unglaubwürdig. Jedoch fasst es die Ideen dieses Buches perfekt zusammen.".

   Bevor ich mit der Lobeshymne loslege, zuerst der wichtigste negative Punkt, der leider auch groß ausfällt: Das ist kein Schachbuch, sondern ein Schachcomputer-Buch, heutzutage sind Computer aus dem Schach nicht mehr wegzudenken. Es geht um die Stärken und Schwächen der Schachprogramme, den Mensch mit seinen Stärken und Schwächen erwähnt Smith nur begleitend. Somit ist nur der Untertitel ("Techniques that have revolutionized chess analysis") gerechtfertigt.

   Doch wer ist dieser Robin Smith überhaupt? Er ist Fernschach-Großmeister, mit einer Wertungszahl von 2618 zur Zeit auf Platz 76 in der ICCF-Liste (von insgesamt über 32000 Spielern) - beste Voraussetzungen also, um über das Thema Schach-Analyse zu schreiben. Das ist sein erstes Buch und es ist gelungen: Es liest sich gut, es enthält viele Beispiele mit ausführlichen Erklärungen, die häufigen Diagramme ermöglichen größtenteils ein bequemes Nachvollziehen der Züge ohne Brett. Hier der Inhalt, die Überschriften sind größtenteils selbsterklärend:

 

Contents/Inhaltsverzeichnis

Introduction

6

   

Why Analysis?

7

General Information about Computers and Chess Programs

8

  ... Buying a Computer for Chess Analysis

9

  ... Which Chess Program Should I Get?

10

  ... General Comments on Chess Program Algorithms

10

1. Relative Strengths of Computers versus Humans

12

Calculation

12

Schematic Thinking

17

Positional Evaluation

19

  ... Some Evaluation Function Subtleties

27

Exceptions to the 'Rules'

29

  ... The Exchange Sacrifice

29

  ... Other Piece Imbalances

32

  ... 'Weak' Pawn-Structures

32

Intuition

37

2. Computer-Aided Analysis Methods

41

Interactive Analysis - Using a Program as a Sparring Partner

41

Multivariation Mode

46

  ... Box Canyons

46

  ... Transpositions

49

Running Multiple Engines Concurrently

50

Engine Tournaments as an Analysis Tool

54

Deep Position Analysis/Correspondence Mode

56

Auto-Annotating and Blunderchecking

60

3. Opening Analysis

64

Game Database Statistics

64

Annotated Games

65

Using the Bookup Program

67

4. Middlegame Analysis

70

Deep Tactics and Highly Forcing Lines

70

Outposts, Weak Squares, Targets, Passed Pawns and Other Positional Features

72

Positional Sacrifices

79

Prisons

81

Castling

92

King Hunts and 'King Drift'

93

The Problem of Exchanging

104

Material Imbalances

106

Quiet Manoeuvring

106

Critical Positions

113

5. Endgame Analysis

116

Endgame Database Statistics

116

Tablebase Endings

117

Fortresses

123

Perpetual Check

136

The Problem of Exchanging, Revisited

140

Passed Pawns

142

  ... Passed Pawns in King and Pawn Endings

142

  ... Passed Pawns in Endgames with Pieces

146

Quiet Manoeuvring Revisited

153

6. Putting it All Together

156

Some Conclusions

165

The Future of Chess Analysis

165

Common Computer Chess Terms

167

Milestones in the History of Computer Chess

172

Index of Players, Composers, Openings

175

 

   Smith behandelt alle wichtigen fortgeschrittenen Themen, die zur Computer-Analyse dazu gehören - oder andersrum formuliert: Jeder ambitionierte Spieler sollte das meiste kennen. Wer sich mit Computern nicht so gut auskennt (eine Spielstärke von etwa mindestens 1600 vorausgesetzt - wie bereits geschrieben, Mensch und Computer arbeiten zusammen, der Mensch sollte auch was vorweisen können), der kann auch in zwei leichtere Bücher zum Thema Computerschach reinschauen: Computer und Schachtraining. Das "Problem" bei diesen Büchern ist die Sprache, Englisch sollte man einigermaßen beherrschen.

   Es könnte zu einigen Themen wie z.B. ungleiches Material (und das mangelnde Verständnis der Schachprogramme) mehr als nur ein Beispiel drin stehen. Teilweise ließ der Autor die Programme Tage an einer Stellung rechnen, das erwähnt er dann en passant, teilweise sind aber gar keine näheren Angaben dabei, selten auch zur Hardware und genauen Programmversion. Es fehlt auch ein bisschen die Sicht des Programmierers, Smith präsentiert viele Symptome aber keine Gründe - das ist für die anvisierte Zielgruppe aber auch nicht nötig. Leider sind es auch nur 176 Seiten, allerdings großformatig, das Buch liest sich so gut, dass man sich mehr davon wünscht.

   Ein erstaunliches Beispiel, die Vorgeschichte mit der Erklärung des Gewinnweges nimmt fast eine ganze Seite ein, insgesamt werden für die Partie 2,5 Seiten verbraucht:









Download der Partie

Torre,Eugenio (2430) - Jakobsen,Ole (2420) [B08]
IBM-B Amsterdam (5), 1973

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sf3 d6 4.Le2 Sf6 5.Sc3 0-0 6.0-0 c6 7.a4 Dc7 8.a5 e5 9.dxe5 dxe5 10.Le3 Sg4 11.Lc5 Td8 12.Sd2 Lh6 13.Scb1 Sd7 14.Le7 Te8 15.Lh4 Sgf6 16.Sc3 Lg7 17.Sc4 Te6 18.Dd2 Lf8 19.Tfd1 Lb4 20.f3 Tb8 21.Ta4 Le7 22.Lf2 b5 23.axb6 axb6 24.Tda1 b5 25.Ta7 Tb7 26.Txb7 Lxb7 27.Sa5 Sb6 28.Sxb7 Dxb7 29.Sd1 Sfd7 30.Da5 Lc5 31.Lxc5 Sxc5 32.Da7 Te7 33.Dxb7 Txb7 34.Kf2 f6 35.Ke3 Kf7 36.b3 f5 37.Ld3 f4+ 38.Ke2 Se6 39.Sc3 Sd7 40.b4 g5 41.Kd2 h5 42.Sd1 Sb6 43.c3 Ke7 44.Sb2 Kd6 45.Le2 Td7 46.Kc2 Kc7 47.Ta7+ Kc8 48.Txd7 Kxd7 49.Kd2 Ke7 50.Ld1 Sc7 51.Lb3 Se8 52.h3 Sd6 53.Kd3 Sd7 54.Kd2 g4 55.hxg4 hxg4 56.Sd3 g3 57.Ke2 Se8 58.Kd2 Sef6 59.Ke2 Kd6 60.c4 bxc4 61.Lxc4 Sb6 62.Lb3 Sfd7 63.Kd2 Sf6 64.Ke2 Se8 65.Sb2 Sc7 66.Sc4+ Sxc4 67.Lxc4

Ab hier geht es los: Smith führt 9 Schritte auf, nach denen Schwarz auf Gewinn steht. Die Schach-Engines haben alleine gar keine Chance, erst im Zusammenspiel (Partie nachspielen und langsam zurückgehen - unverzichtbar sind dabei Programme, welche die Hashtables nicht nach jedem Zug löschen). Diese Art von Erklärungen (natürlich sind sie ansonsten nicht so ausführlich geraten) zu den etwa 100 Stellungen sind eine große Stärke des Buchs, auch Computer-Muffel können hier nur Schach lernen.

Die Partie verlief nach Plan: 67...Kd7 68.Kd3 Kc8 69.Kc3 Kb7 70.Kb3 Kb6 71.Kc3 Se8 72.Le2 Sf6 73.Ld3 Sh7 74.Lf1 Sg5 75.Kc4 Se6 76.Kc3 Sd4 77.Kd2 c5 78.bxc5+ Kxc5 79.Kc3 Kb6 80.Kd2 Ka5 81.Kc3 Kb6 82.Kd2 Kc6 83.Le2 Kc5 84.Ld1 Kc4 85.Le2+ Kb3 86.Ld1+ Kb2 87.Ke1 Kc3 88.La4 Kd3 89.Ld1 Ke3 90.Kf1 Kd2 91.La4 Se2 92.Ld1 Sc3 93.Le2 Sb1 94.Lc4 Sa3 95.Lb3 Kc3 96.La4 Sc4 97.Lb5 Se3+ 98.Kg1 Kd2 99.La6 Ke1 100.Ld3 Sd1 101.La6 Sc3 102.Ld3 Sa4 103.Lb5 Sc5 104.Lc4 Sb7 105.Lb5 Sa5 106.La4 Sc4 107.Lb5 Sd2 108.La4 Ke2 109.Lb5+ Ke3 110.La4 Sxf3+ 111.gxf3 Kxf3 112.Lc6 g2 0-1

 

   Leider hat Smith keine Homepage, das würde gut zu dem "modernen" Thema passen. Viele Themen aus dem Buch findet man auch verstreut irgendwo online, z.B. auch in Computerschach-Foren - aber nicht so gut erklärt wie hier. Die Zielgruppe der Spieler ab etwa 1600, die bereit sind, Zeit zu investieren, um die Wahrheit einer Stellung zu finden, wird es aber bequemer finden, im gut geschriebenen Buch zu stöbern. Als Austattung sollte ein Schachprogramm mit mehreren starken Schach-Engines vorhanden sein. Allerdings ist es auch ein hervorragendes Lesebuch für die weniger Arbeitswütigen.

 

 

Eine zweite Meinung: Rezension der deutschen Ausgabe von Harald Fietz.

 

 

das Buch stellte Schach Niggemann (Industriestr. 10, 46359 Heiden) für die Rezension zur Verfügung


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